Ich hab es endlich getan. Ich bin mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause gefahren. Noch eins der Dinge, die ich nur einmal machen werde.
Nicht nur, daß mein angebliches Alu-Bike wahrscheinlich innen mit Blei ausgegossen ist (kurz nachdem Walmart mir das Ding verkauft hatte, haben sie sich wieder aus dem deutschen Markt zurückgezogen - ich weiß, warum) und sich entsprechend fährt. Naja, vielleicht sollte ich auch einfach mal die ganzen Fuchsschwänze, Rückspiegel und Einkaufskörbchen wieder abschrauben, das könnte 2-3 Kilos bringen :).
Nein, auch die Strecke ist denkbar häßlich. Selbige führt nämlich komplett einmal quer durch München, mitten durchs belebte Zentrum. München hat wirklich eine Menge grüne Ecken, nur leider liegt keine davon an meiner Wegstrecke. Dafür kam ich in den vollen Genuß des frühmorgendlichen Innenstadtverkehrs. Und der wird so richtig spaßig, wenn plötzlich der Radweg aufhört und man gezwungen ist, sich zwischen lauter Durchgeknallten, die schon vor 10 Minuten hätten im Büro sein müssen, durchzuschlängeln. Und wenn dann doch unvermittelt wieder ein Radweg auftaucht, parkt mittendrauf garantiert eine der orangeroten, besengeschmückten Gehhilfen, mit der unsere Stadtreinigung durch die Gegend juckelt. Und während man gerade einem der unaufgefegten Scherbenhaufen der letzten Nacht ausweicht, sitzt der Fahrer der fahrbaren Besenkammer nebenan im türkischen Kaffee und diskutiert lautstark mit seinen Kollegen, wieso Galatasaray wieder so Scheiße gespielt hat.
Einziger Lichtblick war noch der betagte Schulweg-Posten, der den heranrasenden Verkehr netterweise auch für mich mit seiner gelben Zauberkelle gestoppt hat. So konnte auch ich unbeschadet den Zebrastreifen überqueren, nur um 5 Meter weiter beinah einen Erstklässler zu überrollen, der mir schlaftrunken vors Rad torkelte. Wahrscheinlich mußten seine Eltern ihm und seinem 20-Kilo-Schulrucksack frühmorgens an der Haustür nur einen Schubs geben, der Schwung allein dürfte den armen Wicht bis zum Schulhoftor getragen haben.
Außerdem sind Münchner Fahrradfahrer bzw. Fahrradfahrer an sich schon ein seltsames Völkchen. Am auffälligsten sind wie immer die Extremtypen, in diesem Fall gelang es mir, zwei davon herauszuarbeiten.
Typ 1: der Kamikaze. Für ihn existieren keinerlei Verkehrsregeln, Ampeln werden ignoriert, kleine Hunde überfahren. Kurzum: Gefahrensucher auf 2 Rädern. Die wollen nicht ankommen, die wollen den Kick. Dabei lassen sich sogar noch zwei Untertypen unterscheiden.
a) Der hochgerüstete Kamikaze, den drahtigen Körper eingehüllt in hauchdünnes Lycra in Neonfarben, unterwegs mit einem funkelnden, windschnittigen Bike im Gegenwert eines kleinen Einfamilienhauses. Auf Sätteln, deren Anblick jedem normalen Mann die Tränen in die Augen treibt, jagen sie katzengleich durch die Stadt und degradieren ihre Umwelt zu bunten, verwischten Farbklecksen am Rande ihres Gesichtsfeldes. Würde ein solcher an der roten Ampel zu bremsen versuchen, es würde ihm den Designersattel samt Lycrashorts bis zum Gepäckträger in den Hintern treiben. Man fragt sich, wo er hin will: An welcher Arbeitsstelle wird man so gewandet akzeptiert, verschwitzt, aber glücklich? Unmöglich, daß sich unter der Batman-Montur auch noch ein Boss-Anzug verbirgt.
b) Der Nonkonformist. Es ist nicht so, als sähe er die Stoppschilder nicht. Sie gehen ihn nur nichts an, da sie einer Welt aus unnützen Regeln angehören, die nicht die seine ist. Er fährt ein Frontmelderfahrrad aus dem ersten Weltkrieg, zusammengehalten nur durch Rost und Gaffa-Band. Lampe, funktionierende Bremsen, Speichen - nur was für Spießer.
Statt hautenger X-Men-Radlerkluft trägt er Cordjackets mit Lederflicken an den Ellbogen, verkratzte Lederumhängetaschen und eine Oasis-Frisur. Niemand überfährt eine rote Ampel so lässig wie er.
Typ 2: der Sicherheitsfanatiker. Angetan mit Radhelm, gelber Warnweste und doppelten Hosenbeinklammern, pilgern diese mit kerzengeraden Rücken auf ihren Gesundheitsrädern durch den Verkehr. Meist verzerrt ein entrücktes Lächeln die ansonsten von höchster Konzentration kündenden Gesichtszüge. Kaum jemandem gelingt das Kunststück, gleichzeitig meditativ entspannt und doch völlig verkrampft auszusehen, wie diesen seltsamen Zeitgenossen.
Soweit meine bisherigen Beobachtungen. Weitere werde ich nur noch als Fußgänger machen.
Donnerstag, 3. Juli 2008
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