Dienstag, 28. April 2020

Tach auch!

Mein letzter Post ist sage und tippe schon fast ein halbes Jahr her, und ich habe bereits mit dem Gedanken gespielt, diesen Blog sanft entschlummern zu lassen. 12 Jahre sind eine lange Zeit, und ich hatte das Gefühl, zuletzt nur noch Rants abzusondern.
Ich hätte zwar das ein oder andere Mal noch Lust gehabt, den ein oder anderen Kommentar in die Welt zu blasen (ein paar lose Enden baumeln noch auf der Agenda), aber irgendwie überrollt einen das Zeitgeschehen, und am Ende hat ein anderer dasselbe schon gesagt, oder besser, oder überhaupt.

Aber was uns heute ins Haus geflattert ist, läßt mir dann doch eine Hasskappe wachsen.
Die süßeste Tochter hat heute Post von - haltet euch fest - der Bundeswehr bekommen. Genauer: Vom Personalmanagement der Bundeswehr.

Die Postkarte ist eine Aneinanderreihung von Unverschämtheiten, dass ich im Strahl kotzen könnte.
Nicht nur, dass die Vorderseite einen Namensaufnäher mit meinem Nachnamen auf Tarnhintergrund darstellt, was wohl suggerieren soll, dass irgendein perverser Personal-Sesselfurzer es bereits als gesetzt betrachtet, dass meine minderjährige Tochter demnächst im Kampfanzug durch die Scheiße robbt.

Überschrieben ist das Ganze mit "Wir kämpfen gegen Corona". Ach ja? Erschießt ihr die Viren mit dem Flitzebogen, oder was?
Das einzige, wogegen ihr kämpft, ist doch die verdiente Bedeutungslosigkeit. All die verzweifelten Versuche, Deutschland wieder zu militarisieren und die unzähligen Werbekampagnen lassen doch nur eins zu Tage treten: Der Großteil der deutschen Bevölkerung und insbesondere die jungen Leute haben kaum noch ein Interesse daran, sich ihre Ärsche für irgendeine pathetische Kackscheiße wegschießen zu lassen. Und Recht so!

Zurück zur Werbepost. Die Corona-Pandemie auf billigste Weise für eigene "Mitgliederwerbung" bzw "recruitment" zu instrumentalisieren, ist so geschmacklos, das haben bisher nicht mal die Zeugen Jehovas oder die GEZ gebracht.

Als nächstes kommt natürlich das Zuckerl von wegen "guck mal, auch die Bundeswehr(krankenhäuser?) helfen der Bevölkerung bei Corona".
Ja natürlich tun sie das, verdammt! Schließlich finanziert "die Bevölkerung" den Laden zu 100%, und Kriegsverletzte gibt es ja gerade (hallelujah!) nicht zu versorgen.
Aber die Existenz dieser Krankenhäuser und all das andere Greenwashing täuscht doch keinen mehr drüber weg, dass eine Armee mit Gewehren, Panzern und Kampfflugzeugen nicht den primären Zweck verfolgt, Kranke zu heilen und Brunnen zu bauen.

Nach dem kurz gefassten Aufruf, sich weiter über den Wehrdienst zu informieren, folgt die Nennung der Webseite, die sich leicht verfremdet so liest: bundesw€hrk@rriere.de/VIP/.. gefolgt vom Namen meiner Tochter. Die nächste plumpe Anmache aus der Kategorie "Hat es weh getan, als du vom Himmel gefallen bist?". Wie schlecht kann es noch werden? Glaubt in eurem Laden echt einer, ihr müßt nur ein "VIP" in die Webadresse basteln, und schon können diese selbstverliebten Teenies gar nicht anders, als sich einen Job in der Bundeswehr herbeizusehnen?

Der letzte Klopper verbirgt sich dann im "Datenschutzhinweis", der wohlweislich und ungeheuer seriös in Mini-Miemelschrift gehalten ist, bei der sogar ein Adlerauge wie ich eine Lupe brauchte.
Nachdem ich mich bereits gefragt hatte, wie die BW an den vollen Namen (incl ungenutzter Zweitnamen) meiner Tochter kommt, um diesen dann samt Anschrift an die "Dialogpost" der Deutschen Post weiterzureichen, steht da die Auflösung. Gemäß Bundesmeldegesetz hätte meine Tochter einer Datenübermittlung laut Soldatengesetz nicht widersprochen. Daher senden die Meldebehörden regelmäßig Daten demnächst volljährig werdender Jugendlicher an die BW zum Zwecke des Versands von Infomaterial. So steht's da, leicht verkürzt.

Mal unabhängig davon, dass sich das in meinen Augen irgendwie mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beißt: Hier argumentiert eine Bundesbehörde damit, dass eine Minderjährige, die in ihrem Leben noch nie von einem Soldatengesetz gehört geschweige denn sich damit auseinander gesetzt hat, Einspruch gegen eine Weitergabe Ihrer Daten hätte erheben sollen, mit der sie nie im Leben gerechnet hätte.

Selbst, wenn ich die Verantwortung auf mich umlege: Bin ich als Verbraucher bzw Bundesbürger tatsächlich dazu aufgefordert, über sämtliche Gesetze und Regelungen Bescheid zu wissen, die z.B. mit einer Weitergabe meiner Daten einher gehen und gegen die ich daher Einspruch erheben müßte, wenn ich denn wollte? Was für eine Art von umgekehrter Rechtsauffassung ist das denn? Soll nun jeder Bundesbürger höchstselbst bei jeder möglichen Bundesbehörde, die eventuell über seine Daten verfügt, auf Verdacht Einspruch gegen eine möglichen Weitergabe dieser Daten einlegen?
Müßte nicht eher eine Behörde zuerst mich fragen, bevor sie meine Daten weitergibt, speziell zu Werbezwecken?

Die im Datenschutzhinweis aufgeführte Norm im Bundesmeldegesetz gibt überraschenderweise darauf sogar Antwort: "Die betroffene Person ist auf ihr Widerspruchsrecht bei der Anmeldung und spätestens im Oktober eines jeden Jahres durch ortsübliche Bekanntmachung hinzuweisen."
Leider etwas schwammig. Welche "Anmeldung" ist da gemeint, etwa die kurz nach der Geburt? Und was ist eine "ortsübliche Bekanntmachung"? Wird das in Bayern auf Weißwurst-Verpackungen gedruckt?
Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich, meine Tochter oder irgendjemand, den ich kenne, von der Meldebehörde zu irgendeinem Zeitpunkt über ein solches Einspruchsrecht informiert worden wäre.

In einer Zeit, in der es wie kaum zuvor zu Tage tritt, welche Berufsgruppen für Wohl und Wehe der Bevölkerung relevant und wichtig sind und welche nicht, flattert nicht etwa Werbung für eine Karriere in einem Pflegeberuf oder in der Wissenschaft in Haus, sondern von der fucking Bundeswehr.
Vor nicht allzu langer Zeit fragte jemand im Fernsehen, warum es angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege nicht auch mal Plakatkampagnen vom Gesundheitsministerium diesbzgl. gäbe. Dem kann ich mich nur anschließen.
Stattdessen werden immer weiter endlos Steuergelder für die Bauernfängerei der Bundeswehr rausgeblasen, um mit ihrem Blendwerk Kinder für den "Dienst an der Waffe" zu gewinnen.

Herzlichen Dank, kein Interesse. Oder, um es mit Reinhard Mey zu sagen: " Nein, meine Tochter geb' ich nicht!"



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