Freitag, 29. August 2008

Deutschland, deine Migranten

Wenn man derzeit Pro7 schaut, könnte man meinen, all das Gedöns über Parallelgesellschaften, mangelnden Intergrationswillen und gescheiterte Multikulti-Phantasien wäre von der Presse aufgeputschter Mumpitz. Heute abend z.B. durften zuerst eine Holländerin, ein deutscher Rapper und ein deutscher Tanz-Drill Sergeant mit Migrationshintergrund aus einem Haufen Mädels, von denen ebenfalls wie gewohnt eine ganze Menge still vor sich hin migrierte, die vier am wenigsten grusligen aussuchen. Danach ging's aber richtig ab (ich spare mir hier mal die Erwähnung jedes einzelnen "Migrationshintergrundes" und den Blick in den Reisepaß, sondern bleibe der Einfachheit halber beim Greifbaren): Eine Brasilianerin und ein Italiener bekommen ein Kind, begleitet und unterstützt von ihren Familien, außerdem einer Kroatin, einem Engländer und einem US-Amerikaner. Und wem das noch nicht reicht, der darf auch nochmal einen Blick auf den dicken Tanzlehrer von vorhin werfen.

So schön und harmonisch ist das Zusammenleben in der Bunten Republik Deutschland. Jedenfalls so lange man tatsächlich daran glaubt, Pro7 würde die Realität abbilden. Was selbstverständlich nicht der Fall ist, vielmehr ist alles wie gehabt: Alles mehr Soap als Doku, der Schein bestimmt das Bewußtsein.

Wie erwähnt, neuestes und soeben gestartetes Experiment mit vorprogrammierter Erfolgsgarantie ist die total intime und selbstverständlich ungestellte "Wir sind schwanger"- Homestory von Jana Ina und Giovanni.
Erstmal das Positive: Die beiden Hauptdarsteller sind wirklich grundsympathisch und kommen in ihrem Auftreten auch recht authentisch daher. Beides dürfte in puncto Erfolgsgarantie schon die halbe Miete sein. Außerdem haben die beiden, anders als zuletzt "Sarah & Marc" und der Rest der Connor/Lewe-Blase, tatsächlich was zu erzählen, nämlich die Geschichte ihrer Schwangerschaft. Und die serviert uns Pro7 brühwarm, vom ersten Test bis vermutlich hinein in den Kreißsaal.
Und genau da beginnen die Probleme mit der Glaubwürdigkeit des Ganzen. Wenn ich unter der Prämisse "Wir sind schwanger" eine Fernsehdoku drehe, wieviel Authentizität steckt dann noch in dem "live" auf Video gebannten Schwangerschaftstest und der unweigerlich folgenden "Überraschung - Wir sind schwanger!"? Man sollte meinen: keine.
Und wie überrascht können Eltern wirklich über die frohe Botschaft sein, wenn im heimischen Wohnzimmer ein Kamerateam darauf wartet, die zu erwartenden, selbstverständlich ganz spontanen Freudenausbrüche auf Video festzuhalten? Oder läßt die Familie etwa regelmäßig den täglichen Kaffeeklatsch professionell aufzeichnen, für den Fall, daß mal jemand etwas fernsehtaugliches zu verkünden hat? Und so wurden dann ganz zufällig auch die ausgestrahlten Szenen aufgezeichnet? Es wäre albern, dies anzunehmen. Vermutlich stand sogar der VW-Bus der Kameracrew, großflächig versehen mit den Logo der Show, direkt vor der Haustür.

Davon abgesehen blieb die erste Folge der Doku weitgehend glaubwürdig. Trotz vorhersehbarer Handlung, zweifelhaftem Realismus und gewohnt flacher Dramaturgie macht es irgendwie Spaß, diesem Paar beim Elternwerden zuzuschauen. Es ist einfach nett, sich per Doku-Soap bestätigen zu lassen, daß Promis, egal aus welcher Liga, in ihren 4 Wänden auch nur mit Wasser kochen und genauso stundenlang mit der Zeitung auf dem Klo sitzen wie unsereins. Auch wenn man es natürlich schon immer irgendwie geahnt hat. Diese Art der Entzauberung weckt von vornherein schon Sympathie, ob der solcherart Entzauberte diese nun verdient oder nicht.

Die Antwort auf die Frage, warum sich jemand z.B. unbedingt dabei filmen lassen möchte, wenn einem der Gynäkologe im Allerheiligsten herumfuhrwerkt, bleibt allerdings auch diese Show schuldig. Vermutlich lautet sie aber einfach: Sie sind jung und brauchen das Geld.

1 Kommentar:

dawg hat gesagt…

Ein kleiner, persönlicher Albtraum zum Thema Soap als Gastkommentar:

Also doch, endlich wird es mal wieder brüllend heiß im Lande, und dann wird das auch noch eine Rekordhitze, was für ein Ereignis. Kaum steigt das Quecksilber auf Mallorca ähnliche Temperaturen, da kommen all die Gestalten zum Vorschein, die sich die ganze Zeit über in ihren muffigen Buden verschanzt haben, und schon ist die menschliche Grillsaison eröffnet.
Da wird ein harmloser Gang zum Supermarkt zum unfreiwilligen Besuch im Gruselkabinett.
Ich verlasse das Haus und los geht es. Der Nachbar von nebenan hängt sich mitsamt Wampe aus dem Fenster raus und plaudert in ohrenbetäubender Lautstärke mit den drei älteren Damen, die ihren Pudeln kleine Schirmmützchen aufgesetzt haben, und einmal nicht die selbstgenähten Strampelanzüge, welche die armen Tiere im Winter anziehen müssen.
Um den Anblick meines oberkörperfreien Nachbarn habe ich nicht gebeten, nein das ist nicht schön anzusehen.
Kaum bin ich am Ende der Straße angelangt, da kommt mir so ein SMS Junkie
entgegengeschlurft, die Augen nur auf das Handy gerichtet, das man übrigens auch zum telefonieren benutzen kann, doch sie schreibt eine Nachricht, wahrscheinlich sehr wichtig,
was sie schreibt, bestimmt an George Bush, ja die SMS Generation rettet noch mal die Welt.
Ich weiche ihr aus, da sie mich nicht wahrnimmt, sie überlegt wahrscheinlich gerade wie man „supergeil konkret braungebrannter Hammer Mega Body“ zusammen fassen kann.
Wo wir bei dem Thema sind, da kommt mir schon der erste Wandschrank mit Puls entgegen.
Der Typ hat ziemliche Probleme mit der Positionierung seiner Arme, da er sie fast gerade zur Seite ausstrecken muss, denn sein He-Man Körper ist schon so aufgepumpt, das er sie nicht mehr hängen lassen kann. Sein Teint gleicht der Oberfläche einer gut durchgeratenen Grillwurst, und die gelbe Sonnenbrille, lässt ihn auch nicht gerade wie einen Nobelpreisträger wirken, doch er stolziert erhobenen Hauptes an mir dünnem Hering vorbei, und grinst mich von der Seite blöd an. „Dafür kann ich die Zeitung auch lesen, und nicht nur die Bildchen anschauen“, denke ich mir, behalte das aber lieber für mich, wahrscheinlich wüsste er sowieso nicht was Zeitung (ach das Ding was immer in der S-Bahn liegt) heißt.
Ich biege um die Ecke, und meine Klamotten sind total durchnässt, wirklich das muss der heißeste Tag des Jahres werden, und auch der widerlichste. Vor mir macht sich nämlich eine Gruppe vom Typ „Ballermann Syndrom“ breit. Da hätten wir die klassische Wampe, formschön guckt sie aus dem neontürkisen Achselhemd hervor und lacht mich an. Die Jeans-Hotpants, die es sich in der Arschritze gemütlich gemacht hat, darf natürlich nicht fehlen. Dann wäre da noch der weiße Sonnenhut, die Gummilatschen, der Schnurres und der typische kaminrote Sonnenbrand.
Sie stehen vor einer Kneipe und schauen sich auf einem Fernseher Szenen eines Fußballspiels an. Die Sonne strahlt auf ihre Prachtkörper und einer von ihnen rülpst, was die anderen wohl so toll finden, das sie es auch tun. Ein anderer kratzt sich am Hintern, und testet darauf das sich an seinem Finger befindende Aroma, anscheinend ist er so zufrieden, das er gleich noch mal dran riecht.
Ich erhöhe mein Tempo, und passiere die Mallorca Gang, der Supermarkt ist nicht mehr weit entfernt, da sehe ich dass die Straße gesperrt ist, da hat sich ein Fernsehteam breit gemacht, und man sagt mir die drehen eine Sonderfolge von „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“.
Na toll, jetzt ist der Tag total versaut, da hüpfen diese ferngesteuerten, hölzernen, Schmalzkringel vor meiner Nase rum, die weniger Ausstrahlung haben als ein Ikea Regal, und versperren den Weg zu meinem Supermarkt.
Ich wollte doch nur etwas einkaufen, doch es macht sich ein Gefühl in mir breit, was ahnen lässt, dass ich mich gleich furchtbar aufregen werde, denn ich wollte wirklich nur friedlich einkaufen gehen.
„ Jetzt reicht es, dieses Wetter macht mich wahnsinnig, aaaaaaahhhhhhhhh!!!, brülle ich, und gehe auf einen der Soap Schönlinge los.
Ich wache im Krankenhaus auf, mit einem gebrochenen Arm und einer saftigen Klage wegen Körperverletzung. Neben mir liegt dieser geölte Clown mit einem blauen Auge. Auf seinem Kissen hat sich eine Gel Pfütze gebildet, und besorgt kämmt er sich seine Tolle nach hinten.
„Sie haben wohl die Sonne nicht vertragen, sie sehen mir eigentlich nicht wie ein Schläger aus junger Mann“, sagt der Arzt und grinst mich an. Da öffnet sich plötzlich die Tür, und hinein kommt eine ganze Horde von Soap Darstellern, einer bedrohlicher als der andere, und es dauert nicht lange bis man auf dem Krankenhausflur hört: „ Neiiiiiiin, bitte geben sie mir eine Spritze, ich halluziniere.“ Daraufhin kracht und poltert es, und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass es in nächster Zeit erst mal keine neuen GZSZ Folgen geben wird. Hoffentlich...