Sonntag, 12. Oktober 2008

Telefon-Knigge

Manchen Menschen scheint es erhebliche Schwierigkeiten zu bereiten, ihre Belange am Telefon sinnvoll in Worte zu fassen. Daher hier einige Regeln, die uns das Leben leichter machen können und die im Zeitalter der mobilen Telefonie selbstverständlich sein sollten:

1) Bevor Sie einen Hörer in die Hand nehmen, überlegen Sie sich erstmal, was Sie mit dem anstehenden Telefonat ausrichten möchten. Nichts ist für den Angerufenen nervtötender als jemand, der erst nach ausschweifenden Exkursen in seine eigene Lebensgeschichte oder andere, noch spannendere Themen zum Punkt kommt.
Merke: Nur weil Sie selbst unermeßlich viel Zeit, aber keinen Gesprächspartner haben, muß das für andere Menschen noch lange nicht gelten.

2) Beginnen Sie das Gespräch nicht mit "Mein Hund hat gestern...", "Meine Waschmaschine..." oder "Meine Nummer lautet...". Die abendländische Etikette gebietet, daß man zumindest seinen Namen nennt, am besten noch begleitet von guten Wünschen unter Bezugnahme der jeweiligen Tageszeit ("Guten Morgen"). Grunzlaute sind weitestgehend unzureichend.
Besonders eigenwillig ist es u.a. auch, das Gespräch mit der leicht panisch vorgetragenen Frage "Sprechen Sie Deutsch?" zu beginnen. Vor allem, wenn man a) wie Sie gerade einen Telefonanschluß in Deutschland angewählt und b) der Empfänger sich bereits laut und vernehmlich mit "Schönen guten Tag, mein Name ist Günther Schmidt..." o.ä. gemeldet hat.

3) Wenn Sie schon wissen, daß Sie gerade eine falsche Nummer anwählen, Sie aber vor lauter Verzweiflung keine andere Nummer parat haben: Legen Sie trotzdem wieder auf. Davon, daß Sie jemanden anrufen, von dem Sie schon wissen, daß er Ihnen Ihre Fragen nicht beantworten kann, wird Ihre Situation auch nicht besser. Genauso gut könnten Sie in eine Bäckerei gehen, um ein Pfund Tomaten zu kaufen. Sie verschwenden durch solche Sinnlosigkeiten nur kostbare Lebenszeit, und zwar Ihre und die des Angerufenen.

4) An vielen Telefonen dieser Welt sitzen Menschen, die gestreßt, schlecht bezahlt, inkompetent oder auch einfach stinkfaul und hundsgemein sind. Oft sind diese Menschen auch nicht von Natur aus rektale Charaktere, sondern folgen durch solch verwerfliches Tun nur den Maßgaben ihrer Arbeitgeber.
Bitte gehen Sie aber nun nicht davon aus, daß Sie es jedesmal, wenn Sie einen Hörer in die Hand nehmen, am anderen Ende der Leitung mit einem dieser unangenehmeren Zeitgenossen zu tun haben. Es sitzen durchaus auch nette Leute am Telefon, die tatsächlich wissen, was Kundenservice ist und auch Ahnung von ihrem Job haben. Die haben es nicht verdient, von Ihnen angeschnauzt zu werden. Denn die reale Gefahr besteht, daß Sie mit Ihrem offenen Unmut den Stein des Anstoßes gegeben haben, aus dem bislang netten Teilnehmer genau den griesgrämigen Fiesling zu machen, mit dem Sie nie zu tun haben wollten.
Ja, genau: Dann sind SIE Schuld!!

5) Legen Sie sich Stift und Papier parat. Immer wieder passiert es, daß Leute in der Absicht anrufen, bestimmte Informationen zu erhalten. Scheinbar rechnen sie aber nie wirklich damit, auch Antworten zu erhalten. Denn wenn es darum geht, sich die erfragten Informationen zu notieren, haben sie plötzlich keinen Stift in Reichweite. Ja, Leutchen, watt denn nu? Wolltet ihr etwa die 50-stellige Seriennummer, nach der ihr gefragt habt, im Kopf behalten?

6) Lernen Sie Ihre Telefonnummer auswendig. Vor allem Ihre Handynummer. Verlassen Sie sich nie darauf, daß der Angerufene sie schon irgendwie sehen oder herausfinden kann. Ausreden wie "Ich kenn die Nummer nicht, ich rufe mich ja so selten an!" sind nicht witzig, sondern peinlich. Sie führen ja auch nicht ständig Selbstgespräche. Aber Ihren Namen wissen Sie trotzdem, oder nicht?

7) Versuchen Sie, hochdeutsch zu sprechen. Auch wenn es schwer fällt. Sie möchten doch, daß der Angerufene versteht, was Sie von ihm wollen, oder? Geben sie sich Mühe, auch wenn Ihr schnurriger Bergdialekt sie bisher immer dazu befähigt hat, den Paarungsruf des Murmeltiermännchens naturgetreu nachzuahmen und Sie damit der Abräumer bei jeder volkstümlichen Abendgesellschaft waren. Denn um mit einem Finanzbeamten in einem Büro, 400 km von Ihrer Wohnhöhle entfernt, telefonisch die Feinheiten der deutschen Steuergesetzgebung zu diskutieren, reicht ihr von Schnalzlauten durchsetztes, gutturales Gebrummel vielleicht doch nicht aus.


Nun noch ein paar Dinge, die Sie nie, wirklich niemals am Telefon (und auch sonst nicht) sagen sollten, für den Fall, daß Sie mal Ihren Willen nicht kriegen:

"Sie wissen wohl nicht, wer ich bin?" - Leute, die diese Frage stellen, stellen sie meist zu Recht, denn sie halten sich in der Regel für weit wichtiger, als sie tatsächlich sind. Mit anderen Worten: Sie haben es nötig, so zu fragen, denn ihr Gegenüber weiß meist wirklich nicht, wer sie sind, und dies aus gutem Grund. Und wenn er es wüßte, wär es ihm wahrscheinlich herzlich egal.
Merke: Wer wirklich wichtig ist, hat diese oder ähnliche Fragen nicht nötig. Alle andern geben sich mit solchen Kinkerlitzchen der Lächerlichkeit preis.

"Damit gehe ich zur Bildzeitung/zum Fernsehen/zum Anwalt!" - Gehen Sie ruhig. Mag sich Ihr Anwalt vielleicht noch für Ihre kleinliche Rechthaberei interessieren (schließlich lebt er ja davon), bei der Bildzeitung, Super-Illu oder der Bäcker-Blume interessiert Ihre Leidensgeschichte keine Sau. Dinge, wie sie Ihnen passieren, geschehen jeden Tag hundertfach. Und wie viele davon landen wirklich in den Medien? Grade mal eine Handvoll. Merken Sie was? Damit sich irgendein gelangweilter Redaktionspraktikant Ihre Geschichte vom geplatzten Wasserrohr, Ihrem überfahrenen Dackel oder Ihren außerirdischen Nachbarn anhört, müssen schon mindestens fünf zugekokste Prostituierte, Roberto Blanco oder beides drin vorkommen.

"Mein Name ist Professor Doktor Kurt Schlagmichtot..."("...und wehe, du Domestik sprichst mich im folgenden nur mit "Herr" an!" - erfahrene Telefonierer können den unausgesprochenen Nachsatz am Tonfall erkennen...) - TRÖÖÖÖÖÖT! Falsch! Es sei denn, Ihre verkommenen Erzeuger hätten Ihnen wirklich "Professor Doktor" als Vornamen mitgegeben. Was zwar ein erstmal clever ausgedachter, letztlich aber recht fieser und wohl auch rechtlich nicht durchführbarer, elterlicher Schachzug gewesen wäre.
Titel sind nun mal keine Namensbestandteile, schließlich sind wir hier nicht in Österreich. So weit ich weiß, sind bisher alle kleinen Wichtigtuer gescheitert, die vor Gericht das Gegenteil für sich erstreiten wollten.
Nun darf ja jeder auf seine diversen Titel stolz sein und sich selbst auch damit schmücken, die meisten Menschen haben ja auch etwas dafür geleistet. Das Dumme ist nur, das einige von denen die unangenehme Angewohnheit haben, sich infolge des Titels pauschal für etwas besseres zu halten. So ist denn meist auch die plakative verbale Unterstreichung des Titels bei Telefonaten auch nichts weiter als ein plumper Versuch, sich durch kurzfristige Installation einer virtuellen Rangordnung einen Vorteil zu verschaffen und den Gesprächspartner einzuschüchtern. Viele Titulare merken nicht, daß sie durch solches Verhalten eher ihr Gesicht verlieren als wie erhofft Status zu gewinnen. Understatement geht anders.

Also: Bleiben sie ruhig, bleiben Sie höflich, fassen Sie sich kurz. Denn wie es in den Wald hineinruft,...
Und außerdem wollen Sie ja meistens irgend etwas von demjenigen, den Sie gerade anrufen, nicht umgekehrt. Sie rufen ihn ja nicht an, weil Sie ihm damit einen Gefallen tun wollen, oder im Bestreben, seiner tristen Existenz mit Ihrem bescheidenen Anliegen endlich einen Sinn zu geben, oder?

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