Sonntag, 19. Dezember 2010

Wir sind wieder we(h)r

Sind sie nicht gar hübsch anzusehen, unser schneidiger Monarch der Herzen und seine adlige Pädophilenjägerin? Ein Bild wie aus Kruppstahl geschnitzt, wie unser oberster Hindukuschler und seine fotogene Edeldame jüngst mit kugelsicherer Haartracht durchs staubige Afghanistan schritten, um „der Truppe“ mal ein bisschen den verschwitzten Rücken zu stärken.

Nachdem wir zur WM den Nationalismus Nationalstolz wieder hervorgekramt haben, der seit '45 auf dem Dachboden verdient vor sich hin schimmelte, schwelgen wir gleich wieder in beinah einträchtiger nationaler Heldenverehrung für einen pomadigen Landjunker, den vor zwei Jahren außer in der bayrischen Provinz noch kaum jemand kannte. Heute verkauft ihn uns die Presse als neuen Hoffnungsträger für... na, eigentlich für alles. Nicht umsonst hat G. in der kurzen Zeit schon zwei verschiedene Ministerämter bekleidet bzw. tut dies noch. Offenbar sind wir mittlerweile so abgewirtschaftet, daß wir in der Politik völlig auf die Frage verzichten, ob jemand für ein Amt qualifiziert oder befähigt ist.

Da müßte unsereins vermutlich mehr Zeugnisse beibringen, wenn er sich um einen Job als "Tote-Tiere-von-der-Straße-Kratzer" bewerben würde. Wenn einer aber ein markantes Kinn, einen Jura-Abschluß und ein "von" im Namen hat, kann er es in wenigen Jahren bis zum Bundesminister bringen. Und wenn er dann noch eine schnieke Blondine an seiner Seite hat und drei Sätze geradeaus sprechen kann, womöglich sogar in Englisch, dann kann der gut und gerne auch Bundeskanzler werden.

Bis es soweit ist, erklärt uns Verteidigungs(!!!)minister G. erst mal den Krieg, d.h., er erklärt, wozu Krieg gut ist – jetzt, wo man den Krieg endlich wieder Krieg nennen darf. Und weil wir heute cleverer sind als 1939 der Onkel mit dem Lakritzbärtchen, halten wir unsere Waffenübungen nicht mehr vor unserer Haustür ab (man scheißt ja auch nicht dahin, wo man isst), sondern schießen in Afghanistan ein paar Einheimische aus dem Kaftan. Den Hinterbliebenen bauen wir dafür dann aber dafür einen richtig schönen Brunnen. Behaupte noch einer, wir wären nicht großzügig!

Wie aber ist es zu erklären, daß es G.s Popularität keinen Abbruch tut, daß er wiederholt erklärt hat, man müsse die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands militärisch absichern? Was meines Erachtens nur ein freundlicher Euphemismus ist für: Zur Not marschieren wir in ein fremdes Land ein befreien wir einen Schurkenstaat und erschießen ein paar Zivilisten Terroristen, um deutschen Firmen den unterdrückten Freiheitskämpfern den Zugang zu ein paar Ölquellen/Goldminen/ Kaffeeplantagen zu sichern. Also ganz die Doktrin, mit der sich schon die Amerikaner in der ganzen Welt beliebt gemacht haben und die hierzulande eigentlich von einer breiten Mehrheit abgelehnt wird. Schnallt das irgendwie keiner?

Außerdem hat G. nun dafür gesorgt, daß die Bundeswehr de facto zu einer Berufsarmee umgeschrumpft wird. Ade, „Bürger in Uniform“, hallo, Berufskiller. Nun müssen nicht mehr nicht länger die, die gar nicht wollen, sondern dürfen nur noch die, die unbedingt möchten (oder nix anderes finden). Mit anderen Worten: In der Bundeswehr finden wir dann nur noch a) Leute wie G. selbst, in deren Kreisen es noch zum guten Ton gehört, „gedient“ zu haben, b) Menschen, die Spaß daran finden, bis an die Zähne bewaffnet durch Schlamm und Scheiße zu robben und hin und wieder mal einen Menschen zu erschießen und c) die unterste Schicht der Gesellschaft, dem das Soldatentum die letzte und einzige Chance auf einen Beruf, ein Einkommen und ein Heldenbegräbnis bietet. Also genau die Klientel, der ich nie im Leben die Sicherheit meiner Familie anvertrauen würde, paßt dann auf Deutschlands Honigtöpfe auf. Ein wirklich beruhigender Gedanke...

Darauf, daß ein kleineres Berufsheer billiger wird, brauchen wir auch nicht zu spekulieren. Krieg ist teuer, ständiges Aufrüsten auf den neuesten Stand der Militärtechnik ebenso. Und G., ehemals Fraktionssprecher für Abrüstung (sic!), ist nicht der Mann, der kleine Brötchen bäckt. Da dürfen wir auf die nächsten Groschengräber à la „Jäger 90“ und „Tiger“ schon gespannt sein.

Und nun werden „Ken und Barbie" Guttenberg dafür beklatscht, daß sie in Kevlarweste vor exotischer Kulisse herumposieren und den fragwürdigen Afghanistaneinsatz als Plattform für die eigene Selbstinszenierung nutzen. Meine liebe Frau Guttenberg, wo Sie Ihr Leben ja sonst ganz dem Wohl der Kinder widmen: Sind Sie mal auf die Idee gekommen, daß es nicht gerade dem Wohl Ihrer eigenen Kinder dienen dürfte, wenn Sie sich bei derlei PR-Käse mitten im Kriegsgebiet eine Kugel einfangen? Ist es das wert?

Aber den Deutschen gefällt’s. Wieso sehen eigentlich nur so wenige, daß der Mann seit seinem ersten Auftritt auf der politischen Bühne eine gnadenlose PR-Show nach US-Vorbild abzieht? Glauben denn wirklich alle, daß Multimillionär G., der sich seit Kindertagen nur im Dunstkreis der Hochpolitik und des Hochadels bewegt und mit 25 Jahren in seinem ersten Aufsichtsrat saß, irgendetwas gemein hat mit dem „kleinen Mann“ auf der Straße? Da kann er noch so oft ruhig und rhetorisch beschlagen den hemdsärmeligen Klartextredner geben, für mich ist der Mann ein aalglatter Politkarrierist mit Teflon-FrisurAttitüde. Zu perfekt bedient er beinah alle politischen Sehnsüchte auf einmal: dynamisch-jung und doch erfahren, adlig und doch volksnah, geradheraus und doch mit allen Wassern gewaschen, ein eloquenter Tausendsassa, dem der „kleine Mann“ aus dem Stand beinah alles zutraut.
Klingt das nur für mich nach „im Labor auf Ziel geklont“ und Werbespot-Idylle?

Da passen die Aktivitäten der Gattin perfekt in(s) Bild. Mit unterkühltem Charme, strengem Blick und sturmfester Tolle stöckelt sie seit Wochen wie entfesselt durch die deutsche Medienlandschaft, mal mit, mal ohne ihren Gatten. Von RTL2 bis BILD, vom Gottschalk bis Gala - kaum ein Qualitätsmedium kommt plötzlich mehr ohne sie aus.

Was kommt als nächstes? Ein Film, „Steffi- die junge Kanzlergattin“? Wie „Theo“ und „Steffi“ sich in Bad Ischl kennenlernen, wie er ihr Edelweiß pflückt, wie sie lungenkrank wird und allein in den Hindukusch zur Kur fliegt, wie sie sich in Kabul wiedersehen und die erst störrischen Afghanen dann doch dem jungen Paar zujubeln, weil sie sich spontan eine Burka überstreift?
Oder wird das Ganze eher so in Richtung Lady Di gehen, ohne Rittmeister und Dodi, aber mit dem ganzen Merchandising? Dann müsste zuerst eine Namensänderung her, schließlich passt „Stephanie zu Guttenberg“ auf keinen Eierbecher. Da muß etwas kurzes, griffiges, schmissiges her, so was wie "Di", "Sissi" oder "Twix". Das mit dem Finale im Tunnel kann man sich ja noch mal überlegen. Obwohl solche Schicksalsschläge auch schon Wahlen entschieden haben sollen...

Wisst ihr eigentlich, wie man in Bayern ein süßes, klebriges, buntes Bonbon nennt? Ein "Gutti".

PS: Wenn es jemanden interessiert, wofür wir wirklich in Afghanistan sind und was mit den "wirtschaftlichen Interessen Deutschlands" gemeint ist, der schaue sich mal diese sehenswerte ARD-Reportage hier an.

Update: Gestern war G. schon wieder in Afghanistan. Frage mich, wieso er sich dort nicht gleich ein Haus kauft. Käm den Steuerzahler wahrscheinlich auch billiger.
Allerdings ist er nicht der einzige. In diesem Jahr waren bereits 40! Delegationen deutscher Politiker vor Ort, weil sie sich unbedingt "vor Ort informieren" wollten. Die haben scheinbar richtig viel Vertrauen in unsere Kommunikationskanäle. Ansonsten hätten es ja ein paar Telefonate wohl auch getan.

Und ganz nebenbei: Das ganze heuchlerische, pathetische Brimborium samt Krokodilstränen bei jedem getöteten Bundeswehrsoldaten können sich unsere Politiker auch endlich sparen. Soweit ich weiß, gehört das Getötetwerden so konkret wie sonst nirgendwo zum Berufsrisiko bei Soldaten. Traurig, aber wahr. Auch Angehörige anderer Berufe gehen täglich von Berufs wegen Risiken für Leib und Leben ein, ohne daß jemand groß davon Notiz nimmt. Für den herausgehobenen Stellenwert toter Soldaten sehe ich daher keine Rechtfertigung. Ich glaube, niemand wird gegen seinen Willen nach Afghanistan verfrachtet.
Am Sarg eines im Dienst überfahrenen Straßenwärters hingegen hat vermutlich noch nie ein Minister gestanden.

Keine Kommentare: