Samstag, 16. Juni 2012

Mit der dritten fliegt man besser (nicht)

Die Einwohner des größten Dorfes dürfen sich morgen wieder in aktiver Demokratie üben. Sie dürfen nämlich darüber abstimmen, ob vor den Toren Freisings, am Münchner Flughafen, eine dritte Startbahn gebaut werden soll oder nicht. Lustig, nicht? So also dürfe ich allein darüber entscheiden, ob ich meinen Müll in der Tonne auf dem Rasen meines Nachbarn entsorgen will.

Wer noch nicht weiß, wie er bei der Wahl abstimmen soll, hier noch eine kleine Entscheidungshilfe.

Auch wenn die Gegner der Startbahn nur ein kleines Häuflein sind und deren Vertreter in der Öffentlichkeit eher ungelenk und mitunter pathetisch daherkommen, so muß einem allein das schon sympathisch sein. Denn es ist ein Kampf David gegen Goliath, gallisches Dorf gegen römisches Imperium. Die Gegner, meist mehr oder weniger direkt vom vermeintlichen Fluglärm und –schmutz betroffene Anwohner, sind eben keine geschliffenen Rhetoriker und abgefeimten Strategen, sondern einfache Leute, die sich Sorgen um ihr Stück Heimat und um ihre Lebensqualität machen.

Dagegen steht eine Wand aus wirtschaftlichen und politischen Schwergewichten mit tiefen Taschen, unterstützt von einer massiven PR-Maschinerie, die sich gewaschen hat. Zuletzt flatterte sogar ein Bittbrief von Ex-OB Hans-Jochen Vogel in die Münchner Haushalte. Wenn einen schon das Ungleichgewicht der Kräfte nicht dazu verführt, sich auf die Seite des Schwächeren zu schlagen, dann tun es vielleicht die Argumente, die beide Seiten vorbringen. Die Bedenken, die die Gegner ins Feld führen, muten ob ihrer Naivität beinahe rührend an: Bewahrung der Schöpfung, Bewahrung der Heimat, Naturschutz, Nachhaltigkeit. Zudem macht man sich nicht unberechtigte Sorgen darum, daß wie bei anderen derartigen Projekten auch am Ende der Steuerzahler die Zeche für Mehrkosten usw. zahlen muß.

Dagegen steht ein Konglomerat an aufgeblasenen Rechtfertigungen der Befürworter, bei denen ich mich unwillkürlich frage, ob es nicht auch eine Nummer kleiner geht. So als könne man dem gesunden Menschenverstand der Münchner keine rationalen Argumente* zumuten, geht es im PR-Duktus bei dem Bau der Startbahn um nicht weniger als das zukünftige Wohl und Wehe der gesamten Region, ja ganz Bayerns. Es geht mal wieder um „Wachstum“.
Man gewinnt den Eindruck, daß, würde die Startbahn nicht gebaut, München innerhalb kürzester Zeit auf den Stand eines drittklassigen Provinzdorfs am Rande der Zivilisation zurückfallen, ohne Strom und fließend Wasser, abgeschnitten vom Rest der Welt. Also mitunter genau derselbe Mist, mit dem Politik und Wirtschaft im Schulterschluß uns jedes ihrer Prestigeprojekte (z.B. hier, hier oder hier) unterjubeln wollen: Mit dem Versprechen von Wohlstand und Arbeitsplätzen bzw. mit dem Schüren der Angst davor, beides zu verlieren. Ein Versprechen von Wohlstand, daß sich anschließend meist ausschließlich für die beteiligten Manager und Politiker erfüllt (siehe z.B. hier oder hier).

Wem das noch nicht reicht, dem hilft vielleicht ein Blick in die Münchner Abendzeitung von gestern. Dort durften sich nämlich Gegner und Befürworter nochmal zu Wort melden. Unter den Befürwortern des Projekt finden sich dann so ausgemachte Sympathieträger wie Markus Söder, mein Lieblingsökonom Hans-Werner Sinn (der immer aussieht wie das fiese West-Sandmännchen von einst), Uschi Glas, Nina Ruge und - wie sollte es anders sein – lokale Vertreter von Tourismus und Wirtschaft. Und – und das hat mich wirklich überrascht – Reinhold Messner.
Der Reinhold meint, wir müssen „mobil bleiben“, bei allem „Verständnis für die Sorgen der Anwohner“. Als wenn wir nicht auch ohne 3. Startbahn mobil wären. Und der war mal Umweltschützer. Wie es ihm wohl auf seinem Südtiroler Schlößchen gefallen würde, wenn nebendran dauern Flugzeuge starten und landen würden?
Vielleicht ist das ja auf Dauer doch nicht so gut mit der sauerstoffarmen Höhenluft.

Auf Seiten der Gegner finden sich die knuffige Martina Schwarzmann, olle Konstantin Wecker, Musiker, Kabarettisten, Naturschützer natürlich, der OB von Freising (dort, wo wirklich über das Projekt abgestimmt werden sollte) und ein Kirchenmann. Der Freisinger Domrektor meint, Wachstum brauche das rechte Maß, und die Wirtschaft habe dem Menschen zu dienen, nicht umgekehrt.

Das kann man so eigentlich nur unterschreiben.

*) vielleicht gibt es aber auch keine

1 Kommentar:

Ede hat gesagt…

sieht fast so aus als ob zur Occupy Bewegung und den Piraten gehörst oder ne Menge der Menschen aus Minga lesen deinen Blog...ich wußte schon immer dass du der Che des 21. Jhd. bist ;-)))