Montag, 19. Juni 2017

Was wir von den Norwegern lernen können

Der Norweger an sich ist unfassbar diszipliniert.

Wir Deutschen halten uns ja bereits - verglichen mit z. B. Franzosen und Italienern - für ziemlich gesetzestreu und genügsam, was das Befolgen von Vorschriften und Anweisungen anbetrifft.
IMHO sind wir das nicht, wenn man sich nur mal Geschwindigkeitsüberschreitungen im Straßenverkehr und Steuermogeleien anschaut, aber zumindest halten wir uns dafür.

Der Norweger läuft uns da aber locker den Rang ab. Einige Beispiele:

Norweger halten sich gerne in freier Natur auf. Wenn sie dabei ihren Hund mitnehmen, ist der Flohzirkus a) angeleint und b) seine Häufchen werden eingesammelt und mitgenommen.
Münchner Hundehalter machen es im Prinzip genau andersherum: Sobald Wuffi auch nur ein Pfötchen in eine Grünanlage setzt, und sei sie noch so klein und Wuffi noch so groß, wird er abgeleint. Entsprechende Verbotsschilder werden komplett ignoriert, denn das Getier muss sich ja "artgerecht frei bewegen" können. Was daran artgerecht sein soll, wenn Wuffi den übrigen Rest des Tages in einem 35qm-Apartment verbringen muss, weiß kein Mensch. (Dabei fällt mir der alte Witz ein "Was hat 4 Beine und einen Arm? - Ein Pitbull auf dem Spielplatz.")

Häufchen werden in München zwar aufgesammelt, die gut gefüllten Plastiktüten aber allzu oft in die Botanik gepfeffert. Etwas, das mir auch noch keiner erklären konnte. Denn die Umwelt verliert dabei, weil der an sich ja biologisch abbaubare Kackhaufen mit einer völlig überflüssigen Plastikummantelung versehen wird, die tatsächlich nur dann Sinn macht, wenn man vermeiden möchte, Wuffis Hinterlassenschaft mit bloßen Händen nach Hause zu tragen.

(Übrigens nur einer der Gründe, warum ich nie auf die Idee käme, mir in einer Großstadt einen Hund zuzulegen. Auch wenn Dosenhundefutter durch den Verdauungsprozess durchaus olfaktorisch gewinnt, habe ich keine Lust, nur durch eine dünne Plastikfolie getrennt mit den Finger in warmer Hundekacke herumzukneten. Ganz abgesehen davon, dass die dumme Kreatur von der Geruchs-Kakophonie einer Großstadt zwangsläufig plemplem werden muss. Aber ich schweife ab.)

Ein anderes Spielfeld, auf dem die Norweger mit Disziplin glänzen, ist der Straßenverkehr.
Norwegen hat ein relativ rigides Tempolimit von 80 km/h außerorts, das nur auf wenigen Strecken auf großzügige 90 km/h erhöht wird.
Das hat wohl damit zu tun, dass die meisten Straßen in Norwegen gern mal überraschend einspurig werden (also im Sinn von "eine Spur für alle"), was bei Gegenverkehr schon mal zu spontanen Bremsmanövern führen kann. Außerdem benutzen norwegische Fußgänger sehr selbstbewusst die allgegenwärtigen Zebrastreifen, im festen Vertrauen darauf, dass ein jeder Fahrzeugführer für sie rechtzeitig bremsen wird.

Jedenfalls halten die Norweger die herrschenden Tempolimits aufs Penibelste ein. Egal, wie niedrig die Verkehrsbehörden die Begrenzung angesetzt haben, egal, wie frei die Straße ist - das Limit wird auf das km/h genau eingehalten, und zwar von mindestens 95% aller Verkehrsteilnehmer. Und kein Mensch regt sich über "Schleicher" auf.

Böse Zungen mögen behaupten, der mutmaßliche Hauptgrund für das disziplinierte Fahren sei bei den empfindlich hohen Geldstrafen zu suchen. Der Autor bestreitet dies aber, denn auch auf Strecken, auf denen Blitzer ausgeschlossen sind, fahren Norweger nicht schneller als erlaubt.

Nun könnte man mutmaßen, dass in Norwegen ein Mangel an Spenderorganen herrscht, da sich sogar die meisten Motorradfahrer an das Tempolimit halten. Aber auch da sind uns die Skandinavier voraus, die Spenderquote ist auf einem Dauerhoch.

Thema Fernsehen: Im norwegischen Privatfernsehen sieht es weitgehend genau so aus wie bei uns, es dominieren dieselben US-Serien, US-Talkshows und US-Reality Formate wir bei uns, lediglich mit einem Schwerpunkt auf Naturreportagen.
Was im hohen Norden aber der absolute Straßenfeger der letzten Zeit war, darauf käme hier niemand: Rentierwanderung. 24 Stunden am Tag, eine Woche lang, Live-Bilder einer wandernden Rentierherde, ohne Kommentar, ohne Musik, ohne Bruce Willis, der alle halbe Stunde auf einem Elch durchs Bild reitet. So schnörkellos kann Fernsehen sein.

Die Nachfahren der Wikinger haben uns einiges voraus, was wohl zum einen an dem kulturellen Erbe der ihrem Ruf nach recht pragmatischen Nordmänner liegt. Zum andern muss man mental wohl auch recht nüchtern beieinander sein, wenn man in einem Landstrich lebt, wo es mehrere Monate im Jahr nicht richtig hell, in anderen nicht richtig dunkel wird und es auch sonst in jeder Beziehung eher karg zugeht.

Allerdings gibt es auch einiges, was die Norweger von uns lernen können. Wäscheklammern zum Beispiel. Oder Straßennamen. Gerade in kleineren Orten sucht man sich den Wolf nach einer bestimmten Adresse. Ohne GPS-Koordinaten geht da nichts.
Und nicht zuletzt erschwingliche Alkoholika. Das Bier schmeckt einfach zu salzig, wenn man bei jedem Schluck hineinweint ob der horrenden Preise.


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