Montag, 4. August 2008

Sleazy Listening

Der Drang, seine Mitmenschen am eigenen Musikgeschmack teilhaben zu lassen, ist besonders unter Teenagern recht verbreitet und muß hier auch nicht weiter analysiert werden.
Was aber bringt den durchschnittlichen Teen dazu, seine Umwelt ausgerechnet mittels eines schepprigen Handys zu beschallen? Mit Lautstärkeregler auf „Volle Möhre!", damit auch wirklich sämtliche Höhen so richtig übersteuern, als kämen die Töne aus dem Innern einer Blechgießkanne?

In den goldenen 70er und 80er Jahren, als die Welt noch keinen Minimalismustrend kannte, galt wenigstens noch: Je größer der Ghettoblaster, desto cooler der Besitzer. Nun kommen zwar aus großen Boxen nicht unbedingt auch immer große Töne, trotzdem erkannte man angesichts der kleiderschrankgroßen Portables: Musik ist etwas großartiges, damit treibt man keine Scherze.
Mit den 90ern begann die große Zeit des Individualismus. Die Angehörigen der Generation X versuchten so derartig krampfhaft, sich im eigenen kleinen Mikrokosmos vom Mainstream abzuheben, daß bald ihr zwanghaftes Streben nach Individualität zum Mainstream wurde. Ideales Mittel, um sich unter der selbstgewählten Käseglocke selbst zu verwirklichen, war, sich ein paar Earplugs in die Ohren zu stopfen, um sich mittels Discman in der Einsamkeit der eigenen Schädelakustik zu verlieren.

Als logische Weiterentwicklung folgte alsbald das Handy, heute eine Art Schweizer Messer der Individualkommunikation, das zwar alles kann, aber nix richtig. Dabei kommt es echten Musik-Puristen schon einem Sakrileg gleich, sich Mp3s über Minikopfhörer vom Handy vordudeln zu lassen. Wenn aber dann noch jemand versucht, das ganze ohne Kopfhörer durchzuziehen, möchte man sich am liebsten per Laserskalpell den Hörnerv durchtrennen. Der eingebaute Lautsprecher, quasi eine Box in der Box, entfaltet dabei nämlich eine ähnlich armselige Bandbreite wie ein 1-Euro-Radiowecker aus Taiwan. Wer mal versucht hat, auf einem Stern-Radiorecorder der ersten Generation die eigenen Bayern3-Radiochartmitschnitte aus den 70er Jahren abzuspielen, weiß in etwa, was ich meine. Der einzige Unterschied ist, daß früher noch der Moderator hinten und vorne in den Song gequatscht hat.

Warum also sitzen Teenager andächtig im Kreis um ein jämmerlich vor sich hin knödelndes Handy herum, während der Besitzer es wie einen Fetisch der faszinierten Gemeinschaft präsentiert, als wär er ein Neandertaler und hätte grade das erste Mal eigenhändig Feuer gemacht? Um die eigene Schmerzgrenze zu testen? Ist es eine Art Kulthandlung, eine Anbetung an den Schutzheiligen der Ohrenärzte, Sankt Tinnitus? Oder ist es doch einfach nur wieder eine dieser seltsam anmutenden Handlungen Pubertierender (so wie das Tragen rosafarbener Ballerinas oder der Besuch von TokioHotel-Konzerten), die nur von gleichgesinnten Pickelzüchtern verstanden werden können?

Wenn es also schon ein akustisches Gruppenerlebnis sein soll, dann doch bitte richtig. Und an dieser Stelle ist dann wieder die HiFi-Industrie gefragt. Auf einem guten Weg sind zum Beispiel die Jungs, die das hier gebastelt haben, einen Entertainmentklops mit iPod inside:
Oder soll es doch gleich der feuchte Traum aller retroaktiven Nachbarschaftsbeschaller sein, die auch gerne zwischen 2 Musikstücken mal ihren Dopedealer anrufen möchten? Hier der von mir entwickelte Prototyp, ich nenne es mal das "Ghettophone":

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