Dieser Beitrag ist einem Werbemedium gewidmet, das in Zeiten von Bannerwerbung, Guerilla-Marketing und multimedialer Cross Promotion kaum beachtet ein Nischendasein fristet und womöglich sogar vom Aussterben bedroht ist.
Die Rede ist von Werbeschaukästen.
Erst gestern Nacht strahlte mir eines dieser Relikte unschuldig aus einer Tordurchfahrt entgegen, wo es sich beinahe schüchtern an den staubigen Wandverputz schmiegte. Die blass-lila Neonröhre in seinem Innern beleuchtete ein Sammelsurium vergilbter Fotos aller möglichen Musikinstrumente. In einer Ecke des Kastens fand sich dann der handgeschriebene Hinweis auf eine Instrumentenwerkstatt einige Häuser weiter.
Solche Schaukästen hängen heutzutage hauptsächlich an Gaststätten, wo sich darin - je nach Qualität des Etablissements -mehr oder weniger aktuelle Speisekarten finden. Oder vor Sport- und anderen Vereinen, wo dann die Spielergebnisse der letzten 5 Jahre ausgehängt sind, nebst dem Hinweis, daß die nächste Sitzung der 14. Senioren-Kreisliga im Topflappen-Wetthäkeln wegen eines Rohrbruchs im Vereinscafé "Zur Laufmasche" ausfällt. Ähnliche Schaukästen findet man auch vermehrt in Kur- und Wanderorten in deutschen Mittelgebirgen, wo Ankündigungen für 3-stündige Diavorträge über den Bau der örtlichen Kläranlage, Nachtwanderungen zu den Paarungsarealen des Borkenkäfers und ähnlich Spannendes von der Blüte der lokalen Tourismuswirtschaft künden.
Als primäres Werbemedium von Gewerbetreibenden, meist kleineren Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben, findet man diese Schaukästen immer seltener. Man fragt sich zudem, wer manche dieser Vitrinen eigentlich pflegt, denn ihr Inhalt besteht meist aus bunt zusammen gewürfelten, ausgeblichenen Fotos, unbeholfen formulierten Werbehinweisen und einer Unzahl mumifizierter Insektenleichen, von denen einige Arten vermutlich längst ausgestorben sind. Trotzdem sind die Scheiben geputzt, und wie von Geisterhand fließt aus irgendeinem Loch in der Wand dahinter auch Strom für die Beleuchtung. Vielleicht stehen manche dieser Dinger aber auch schon unter der Obhut von Denkmalschutzbehörden, oder ein mysteriöser Kulturverein frühverrenteter Gebäudereiniger poliert sie in nächtlichen Kommandoaktionen wieder auf.
Jedenfalls verblaßt neben ihrem Inhalt auch ihre Bedeutung, im Zeitalter gigantischer Multimedia-Werbedisplays nimmt man die wenig glanzvollen Dioramen nur noch aus dem Augenwinkel wahr. Leider, muß man sagen. Denn nichtsdestotrotz verbirgt sich unter ihren leise vor sich hin bröckelnden Lackschichten ein unbestreitbarer Charme, nicht nur durch ihre teilweise rührend naiven Botschaften und Inhalte. Sondern eben auch, weil sie uns an eine Zeit erinnern, in der Männer noch ungestraft Schnauzer tragen durften, 9live noch nicht erfunden war, Oberschüler noch Primaner hießen und sich die alkoholische Gärung erklären ließen.
Nostalgie ist eben auch nicht mehr das, was es einmal war.
Freitag, 19. September 2008
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