Donnerstag, 4. September 2008

Post Mortem

Mit der Institution "Post" bzw "Deutsche Post" verbindet die Deutschen ja seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten eine Art Haßliebe. Noch vor ein paar Jahrzehnten gab es Orte ohne Strom und fließend Wasser, aber mit eigenem Postamt, an jeder Straßenecke standen oder hingen zentnerschwere Briefkästen, und das Posthorn-Logo war eine richtige altmodische Tröte mit Troddeln. Man mußte Geburtstagpäckchen schon 14 Tage vor dem Jubeltag aufgeben, damit sie mit einiger Wahrscheinlichkeit auch pünktlich ankamen. Wenn sie überhaupt ankamen. Mal eben ein Blech frischen Apfelkuchen zu verschicken konnte man damals vergessen. Dafür kam dann wiederum der freundliche Postbote bis hinein in die gute Stube. Dort las er gemütlich bei einem Gläschen Eierlikör höchstselbst ein paar Geburtstagstelegramme (weiß heute noch jemand, was ein Telegramm* ist?) vor, während ihm der Hausherr nebenbei den festgebissenen Familiendackel aus der Kniekehle operierte.

Heute dagegen werden Pakete meist von wortkargen Zeitgenossen ins Haus gebracht, bei deren Anblick man in freier Wildbahn normalerweise die Straßenseite wechseln würde. Hat man dann zaghaft die Tür geöffnet, strecken sie einem irgendwelche elektronischen Geräte entgegen, die aussehen wie programmierbare Universalfernbedienungen der ersten Generation. Die eigene Unterschrift sieht auf dem Display dieser nachgemachten Raumschiff Enterprise-Tricorder jedesmal aus wie sumerische Keilschrift. Zu allem Überfluß lädt der Paketologe anschließend auch noch die Post der gesamten Nachbarschaft bei einem ab. Trotzdem ist man froh, wenn jemand das Paket persönlich überbringt. Oft genug wird der gelieferte Original-Picasso einfach im unversperrten Hausflur abgestellt oder am anderen Ende der Stadt in einen Packstation-Automaten verfrachtet, wo man sich das Paket dann selbst abholen darf.

Die Post braucht heute zwar nur noch 1-2 Tage bis zum Empfänger, dafür muß man sich für den Versand aber einen Tag Urlaub nehmen. Denn meist ist dort, wo im letzten Monat noch der nächstbeste Briefkasten hing, nur noch ein viereckiger heller Fleck im Verputz übrig geblieben. Man ist daher gezwungen, stundenlang auf der Suche nach Ersatz durch die Stadt zu irren, oder man vergeudet seine Lebenszeit beim Schlange stehen in irgendwelchen Postfilialen.

Damit einem dort beim Warten nicht zu langweilig wird, hat die Post in vielen Filialen "In-Store-TV" installiert. Im Klartext heißt das, daß auf hübschen Flachbildschirmen in Endlosschleife Postbank-Werbespots ohne Ton abgespielt werden. Ergänzt wird das bei seiner Einführung als innovatives Knallbonbon angepriesene "Ig-nore-TV" mit einem Schlagzeilen-Ticker und allen möglichen Informationshäppchen. Deren "content" ist allerdings redaktionell so schlampig bearbeitet, daß Schreibfehler, Sinnentstellungen und Irrtümer eher die Regel sind als die Ausnahme. Dabei werden auch gern mal weltbewegende Ereignisse und News, über die man ganz gern noch mehr erfahren hätte, auf stumpfe 3-Wort-Headlines eingedampft. Offenbar fürchtet man bei der Postbank, den sensiblen Schalterkunden mit zu viel Information zu überfordern. Schon klar: Man ist ja schließlich nicht zum Fernseh kucken da. Man soll nur so lange bei der Stange gehalten werden, bis ein Schaltermensch in einer schlecht sitzenden, klosteinblauen Uniform die Möglichkeit hat, mir zu meiner Briefmarke für 55 Cent auch noch einen Handyvertrag und ein Wertpapierdepot aufzuschwatzen.

Die Post hält ihre Kunden und damit auch mich scheinbar für zu unterbelichtet, um zu bemerken, auf welche plumpe, dilettantische Art sich der ehemalige Staatsbetrieb da an mich heranwanzt. Doch während mich bei meinem letzten Filialbesuch die ganzen urban-dynamischen Grinseandroiden aus den Werbespots noch tonlos anflehten, endlich ein Postbank-Girokonto zu eröffnen, fiel mir nur auf, daß die darauf folgende Meldung über Mads Mikkelsen mit einem Foto von Christoph Schlingensief garniert war.

Ich hab dann den Fehdehandschuh der Kundenverarsche aufgenommen und zur Genugtuung extra nur 2 Briefmarken gekauft. Obwohl ich eigentlich auch Paketband und Kuverts gebraucht hätte. Aber das war's mir wert.


*) Telegramm = eine Art prähistorische SMS

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