Über "Feuchtgebiete" ist ja schon eine Menge geschrieben und gesabbelt worden. Kein Grund für den Michel, das Buch nicht auch mal zu lesen. Den Verkaufszahlen nach müßte das Ding ja sowieso schon jeder zweite Deutsche in der Schrankwand stehen haben.
Und da steht es vermutlich noch immer. Denn viele haben es sich sicher allein des Hypes wegen gekauft, die ersten 10 Seiten gelesen und es dann angeekelt ganz hinten im Bücherregal versteckt, um nur ja nicht drauf angesprochen zu werden.
Denn eins muß man ganz klar feststellen: Wirklich appetitlich ist die Lektüre nicht, bisweilen sogar reichlich abartig. Das ist ja mitunter auch der einzige Fakt des Buches, der landauf, landab in jeder Talkshow durchgekaut wurde.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Die 18jährige Helen liegt anläßlich einer Anal-OP im Krankenhaus und philosophiert dabei über ihre ganz privaten Ansichten zu den Themen Sex, Hygiene und Beziehungen. Die Protagonistin überstrapaziert bzw sprengt dabei mit ihrem Tun alle gängigen gesellschaftlichen Scham-, Hygiene- und Ekelgrenzen. Lt. der Autorin soll dies den Zweck heiligen, die zugrunde liegenden Moralstandards als übertrieben zu brandmarken bzw. zu kritisieren.
So sehr ich C. Roche (bei der ich nie weiß, ob man sie nun "Rosch" oder "Rouwtsch" ausspricht) und ihre Arbeit auch sonst schätze, ich glaube, diesmal ist sie übers Ziel hinaus geschossen. Denn spätestens, wenn die "Heldin" aus keinem vernünftigen (wo sollte der auch herkommen?) Grund die herausgeschnippelten Überreste ihrer Analfissur auffrißt, wird dem Leser klar: Die hat ordentlich eins am Sträußchen. Auch ihr sonstiges Handeln zeigt deutlich psychotische Züge, das hat dann auch nix mehr mit Tabubruch oder Offenheit zu tun. Wenn sich eine 18jährige sterilisieren läßt, um ohne Umstände rumvögeln zu können, wenn sie mit dem Unterleib dreckige Klobrillen sauber wischt oder sich absichtlich die OP-Wunde aufreißt, indem sie sich ein Stück Metall in den Hintern rammt, dann muß der Leser unweigerlich schlußfolgern: Da sind im Oberstübchen ein paar Anschlüsse falsch verdrahtet worden.
Nun dachte ich, ich hätte begriffen, worum es bei dem Roman tatsächlich geht, denn die Geschichte hat neben dem ganzen Sekretgemansche noch einen ganz anderen Aspekt: Die Heldin ist nämlich ein emotional verwahrlostes, großes Kind. Durch die Geschichte zieht sich wie ein roter Faden ihr ebenso inniger wie hoffnungsloser Wunsch, die seit langem getrennt lebenden, phlegmatischen Eltern wieder zusammen zu bringen. Außerdem hat sie noch an dem unverarbeiteten Trauma zu knabbern, daß sie als Kind miterleben mußte, wie die Mutter versucht hatte, sich selbst und den kleinen Bruder umzubringen.
Natürlich dachte ich: "Na klar, deswegen macht die all die kranken Sachen. Ich, der Michel, hab das begriffen, während sich alle anderen Kritiker nur auf die Sex&Ekel-Aspekte konzentriert haben." Detektivischer Stolz, gemischt mit literarischem Erkenntnis-Triumph, ließ meine Brust schwellen. Und ich war überzeugt: Mit der erheblichen Fokussierung auf die "Bäh!"-Gesichtspunkte der Story hat sich Madame Roche keinen Gefallen getan. Denn somit hat außer mir keiner geblickt, was sie uns wirklich mitteilen wollte: Ein Blick in das Seelenleben eines emotional vernachlässigten Teenies, die aus lauter Verzweiflung dauernd irgendwelche Unterleibsexperimente macht.
Falsch gedacht.
Wie heißt es so schön: Es ist erst vorbei, wenn die dicke Frau singt. Denn ich durfte dieses Interview mit Charlotte lesen, in dem sie mitteilt, daß es ihr im Roman hauptsächlich darum ging, die "Amerikanisierung des weiblichen Körpers" anzuprangern.
Verdammt. Und ich dachte, ich hätte verstanden.
"Liebe Charlotte,
knapp daneben ist auch vorbei.
Denn wenn man einen Charakter erschaffen will, der stellvertretend für den Autor als Sprachrohr für Gesellschaftskritik dienen soll, dann bastelt man sich eigentlich jemanden, den der Leser irgendwie ernst nehmen, respektieren oder zumindest sympathisch finden kann. Deine Heldin hingegen kann man streckenweise nur bemitleiden, um wirklich Sympathie zu wecken ist sie einfach zu extrem.
Merke: Wenn man z.B ein Traktat gegen die Todesstrafe schreiben möchte, dann kreiere man dafür möglichst keinen Helden mit einem Sympathiepotential, bei dem sogar Mutter Teresa mit einem Lächeln den Hebel umgelegt hätte.
Und was sollte der ganze Psycho-Kram? Das macht Deine Helen auch nicht grade zu Germany's Most Wanted Hygienedozentin.
Herzlichst,
der Michel"
Mittwoch, 7. Januar 2009
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3 Kommentare:
tja schade..hatte das Machwerk meiner Liebsten zu Weihnachten als Hörbuch geschenkt (dachte mir einfach, dann ist es schneller vorbei). Wurde aber direkt wieder ungeöffnet an Amazon zurückgeschickt mit kompletter Erstattung der Kosten. Wenn ich deinen kurzen Exzerpt zur offensichtlich etwas verwirrten jungen Damen, die sich vermutlich Rosch (zumindest nennt sich das gleichnamige Schweizer Pharmaunternehmen so)ausspricht, lese, bin ich sicher, dass es die richtige Entscheidung war, meine Ohren bzw. die meiner Frau davor zu bewahren.
Ich krieg übrigens 10 € (für 2 Kinokarten in SDH) von dir wieder ;-))) O-Ton Michel: Anderthalb Ritter kann man sich anschauen?
Til und Rick, die ein Münchner Porzi aus den Krallen des bösen bösen Udo Kier befreien wollen..wie witzlos. Einziges Highlight war der Frauen Kibutz von Tobias Moretti mit der hinreißenden Stefanie Stappenbeck...grrrrr...absoluter Tiefpunkt NKOTB...die waren zu meiner Zeit schon Scheiße und heute sind Sie nur alt und Scheiße
Soviel gequirlten Mist hab ich wirklich ja schon ewig nicht mehr gesehen. Nicht nur dass der Film ehr peinlich als witzig war, wurde wirklich alles aus der deutschen "Film"branche ausgegraben, was noch irgendwie laufen konnte. Dabei der klare Hinweis auf den Untergang des Abendlandes: Thomas Gottschalk ist Staatsoberhaupt....aua
He, ich dachte, du wolltest nur mal wieder ohne Kindergeschrei im Hintergrund knutschen! Da wären Witz und Spannung auf der Leinwand der Romantik nur abträglich!
Außerdem bezog sich "kann man sich anschauen" lediglich auf die visuelle Fähigkeit des Betrachters, nicht auf die Qualität des Films.
Außerdem fand ich, daß die Ex-Supernase seine Sache gar nicht so schlecht gemacht hat, relativ authentisch, wenn man bedenkt, wie er sonst so auftritt.
stimmt auch wieder zumindest hat er seinen Text nicht von ner Karteikarte abgelesen ;-)wie gesagt Stefanie Stappenbeck war zum Ablecken, aber der Rest einfach nur Mist. Dabei war Keinohrhase, auch wenn der ein bisschen nach dem Motto "eyh was bin ich für ein geiler F...." ablief, doch irgendwie witzig und Nora Tschirner endlich mal ne Frau die schnell und deutlich spricht und dabei so wirkt als ob ihr das wirklich passieren könnte....hab nur Angst da für 2009 Keinohrhasen2 und Zweiohrküken angekündigt wurde (nach IMDB) ich hoffe zumindest letzteres ist ein fake und Til Schweiger beginnt jetzt nicht das Thema um hässliche Kuscheltier ad absurdum zu führen...;-)))
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