Montag, 30. März 2009

Test the Tester

Ich muß euch ein Geständnis machen: Ich stehe auf Restauranttest-Dokus, besser gesagt: Doku-Soaps. Wer nicht weiß,. worüber ich spreche, dem möchte ich hier die drei bekanntesten Shows vorstellen.

Beginnen wir mit "Ramsay's Kitchen Nightmares", hierzulande bekannt geworden als "Chef ohne Gnade".
Unangefochtener Star ist Gordon Ramsay, Sternekoch und verflixt erfolgreicher Restaurantmanager. Dessen hauptsächliche Erfolgsfaktoren sind seine schmerzhaft ehrlichen, vernichtenden Kritiken und seine phantasievollen Verwünschungen unter inflationärem Gebrauch des Wortes "fuck". Leider fällt all das in der deutschen Version der Synchronisation zum Opfer, Internet sei Dank findet man alle Folgen auf youtube im Original.

Wie jede Doku-Soap, wird auch hier dem Zuschauer der dokumentarische Charakter nur vorgegaukelt, in Wirklichkeit folgt die Show immer demselben Strickmuster und wird natürlich redaktionell bearbeitet. In der britischen Version hält man sich mit der Bearbeitung allerdings noch angenehm zurück und läßt Ramsay einfach "machen". Was eigentlich auch schon reicht, denn Präsenz, Sympathie und Humor des Schotten tragen die Soap schon im Alleingang.

Der Ablauf ist fast immer gleich: Ramsay betritt ein Restaurant, findet das Ambiente gewöhnungsbedürftig und bestellt 2-4 Gerichte, die er alle Sch...e findet. Dann redet er mit dem Eigentümer, der erzählt, daß er seine letzten Ersparnisse sowie die seiner gesamten Verwandschaft in den Laden gesteckt hat und nun langsam, aber sicher vor die Hunde geht. Gordon erklärt ihm oder ihr, daß er eine Schlafmütze ist und mal in die Puschen kommen muß. Dann geht er in die Küche und führt ein Gespräch mit dem Koch, bei welchem er diesen einmal von oben nach unten durchbeleidigt. Kurz bevor ihm der erzürnte Küchenbulle mit der Schaumkelle eine Scheitel ziehen kann, verläßt Ramsay das Restaurant, nicht ohne nochmal den Fernsehzuschauern direkt in die Kamera hinein zu verklickern, wieso der Freßtempel auf dem letzten Loch pfeift.

Am nächsten Tag kommt er wieder, stellt die Küche auf den Kopf und findet heraus, was wir sowieso schon alle wußten: In allen Ecken herrscht König Gammel. Ramsay verordnet der Küche eine Grundreinigung, stellt ein neues Restaurantkonzept auf, setzt seine Kreationen auf die Karte und schwört das Personal darauf ein. Dann läßt er das Restaurant einen Tag lang mit dem neuen Konzept alleine, was natürlich maximal in die Hose geht, weil die Hälfte der Leute noch nicht begriffen hat, daß sie sich um 180° drehen müssen. Tags darauf putzt er die gesamte Belegschaft nochmal richtig runter und verpaßt dem Restaurant eine Generalüberholung, auf die ein oder andere Weise. Dabei legt er selbst mit Hand an, und plötzlich funktioniert alles. Der Dramaturgie folgend, sind ab sofort alle Kunden glücklich, satt und zufrieden, der Laden brummt und ist von da ab auf der Straße des Erfolges.
Manchmal geht der Rettungsversuch auch in die Hose, wie man ab und an aus dem Nachspann erfährt. Allerdings weit öfter, als uns das Fernsehen glauben machen will, wie dieser Artikel zeigt. Was wohl der ultimative Beweis dafür sein dürfte, daß auch der erfolgreichste Manager nicht in 7 Tagen aus einer Absteige eine Goldgrube machen kann.

Warum ich mir das ganze trotzdem gerne anschaue? Weil Ramsay ein grundsympathisches und vor allem authentisches Kerlchen ist, der kein Blatt vor den Mund nimmt und dessen Schimpftiraden wirklich großartig sind. Hier eine kleine Kostprobe:



Die zweite Show ist "Kitchen Nightmares", die US-Version von "Ramsay's Kitchen Nightmares", Star auch hier: Gordon Ramsay.
Das Konzept ist dasselbe, der einzige Unterschied und gleichzeitig Pferdefuß (aus europäischer Sicht) ist, daß die US-Version eine viel stärkere redaktionelle Bearbeitung erfahren hat, viel stärker geschnitten wurde und allgemein "more drama" hat. Wenn z.B. die britische
Produktion in Gestalt von Gordon Ramsay dem Restaurant einen neuen Grill spendiert, wird in der US-Version über Nacht die gesamte Küchenausstattung ausgetauscht. Kriegt der walisische Pub ein paar neue Tischdecken, wird das amerikanische Diner komplett neu gestrichen, vertäfelt und möbliert. (Was natürlich nie ohne viele Tränen, Nervenzusammenbrüche und Liebeserklärungen seitens der Belegschaft abgeht.) Hängt Ramsay in der UK-Ausgabe eine neue Werbetafel an den Gartenzaun, wird in New York zu Werbezwecken eine komplette Parade samt Festwagen organisiert.
Besonders ätzend wird es, wenn der Schnitt so schlecht gearbeitet hat, daß der aufmerksame TV-Zuschauer mitbekommt, daß er verarscht wird. So ist der Wutausbruch eines Restaurantmanagers so in eine Folge eingeschnitten, daß man glauben soll, er wäre ausgeflippt, während der Laden voll war. Schaut man genauer hin, wird deutlich, daß der Ausraster stattfand, als kein Mensch da war. Was aber aus Sicht der Macher wohl nur halb so dramatisch wäre.

Auch wenn ich weiß, daß ich mir gerade keine "echte" Doku anschaue, sondern etwas, das wie eine wirken soll, ärgert mich eine derart plumpe Verarsche. Trotzdem schaue ich mir auch diese Show gern an, eigentlich nur wegen Ramsay. Ihm dabei zuzuschauen, wie er ohne Skrupel 300 Pfund schwere italienische Restaurantchefs vor versammelter Mannschaft verbal zusammenfaltet und dabei mehr als einmal kurz davor steht, von einem wutschnaubenden Küchenbullen filettiert zu werden, hat unbestreitbar seinen Charme.

Der deutsche 1:1-Abklatsch heißt "Rach, der Restauranttester". Die Show ist soweit ich weiß das einzige deutschsprachige Format, das sich ausschließlich mit dem Aufmöbeln von Gastwirtschaften beschäftigt, die irgendwie auf dem absteigenden Ast gelandet sind.
Titelstar ist Christian Rach, ebenfalls preisgekrönter Koch und Restaurantchef. Warum ausgerechnet er unter all den deutschen Fernsehköchen für den Job herhalten muß, weiß man nicht, vermutlich waren alle anderen schon bei Kerner unter Vertrag. Letztendlich ist er es aber, der ähnlich wie Ramsay die gesamte Show trägt. Nur geht das alles viel betulicher ab als im britischen Vorbild. Rach versprüht auf seine etwas linkische Art spröden norddeutschen Charme. Zwar nimmt auch er kein Blatt vor den Mund, allerdings bleibt er dabei politisch korrekt und weitgehend höflich. Ein bißchen mehr von der krawalligen Art Ramsays würde ab und zu nicht schaden, aber die Produzenten haben wohl Angst, daß dies auf Kosten der Glaubwürdigkeit bzw der Quote ginge. Das kann ich zwar für meine Person nicht unterschreiben, trotzdem behielten die Produzenten vermutlich sogar Recht. Denn so lange in Deutschland auch stumpfsinnige Soaps wie "Bauer sucht Frau" zum Quotenhit werden und seit Jahren ungestraft allnachmittäglich hölzerne Laienspielgruppen hanebüchene Justizfälle herunterdilettieren, so lange werden Fernsehformate abseits des uniformen Mainstreams eher die Ausnahme bleiben.

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