Donnerstag, 5. November 2009

Hom(m)e, sweet hom(m)e

Welcher männliche Teilnehmer an unserem globalen Zivilisationsprojekt kennt nicht folgende Situation: Man kommt von der Arbeit nach Hause, nichts anderes im Sinn als sich mit einem Gläschen Rotwein in der einen und einem Quadratmeter Pizza in der anderen Hand vor dem heimischen PC niederzulassen, um bei SpiegelOnline die Katastrophen des Tages noch einmal Revue passieren zu lassen. Man sperrt die Tür auf, betritt die Wohnung bzw. versucht es zumindest. Was aber nicht geht, da der Flur mit mehreren verschiedenfarbigen Farbeimern und einer halb fertigen IKEA-Anbauwand vollgestellt ist, die man noch nie zuvor gesehen hat. Gleichzeitig ruft es aus dem Wohnzimmer: „Gut dass du kommst, kannst du mir mal eben helfen!“.

Kenner der Lage und Männer, die sich in diesem Moment noch spontan für ein zukünftiges Single-Dasein entscheiden, schmeißen an dieser Stelle ihre Tasche in die Ecke und suchen sich für die nächsten 14 Tage (Minimum) ein gemütliches Hotelzimmer.

Treu ergebene, duldsame oder einfach nur brunzdumme Zeitgenossen eilen flugs der Hilfe Suchenden entgegen und finden sie, in der einen Hand eine Bohrmaschine, in der anderen einen dreißig Kilo schweren Kronleuchter aus massivem Blei, auf der Lehne eines wackligen Küchenstuhls balancierend. Wer bei diesem Anblick noch immer nicht die Flucht ergreift, der ist entweder völlig unbedarft oder schwer verliebt, in jedem Fall ist ihm aber nicht mehr zu helfen.
Denn die Holde, mit der er sich das Domizil und vermutlich auch das übrige Leben teilt, ist von einer Krankheit befallen, die sich ausschließlich Frauen zuziehen können. Die Rede ist von Renovieritis bzw. dem „Ich will wieder mal was Neues“-Syndrom.

Männer können das nicht verstehen. Das maskuline Hirn liebt Kontinuität. Wir finden uns am besten in einem Umfeld zurecht, in dem sich seit Jahren nichts verändert hat. Oder wo Veränderungen sich zumindest so langsam manifestieren, dass unsere Akklimatisierung in aller Ruhe vonstatten gehen kann. Wir lieben Harmonie; ein geregelter Tagesablauf, eine fest stehende Agenda geben uns Sicherheit und Stabilität in einer sich ständig verändernden Welt. Aus diesem Grund tragen wir dieselben Socken, die schon vor zwanzig Jahren unsere Füße umschmeichelt haben. Aus diesem Grund benutzen wir seit 10 Jahren dasselbe Rasierwasser und hören auf, uns zu rasieren, sollte es je vom Markt genommen werden. Aus diesem Grund bleiben wir auch gern jahrelang mit derselben Partnerin liiert, obwohl eben diese in regelmäßigen Abständen versucht, unsere kleine Insel der Harmonie einem kompletten Makeover zu unterwerfen.

Gerade dann, wenn wir unser Zuhause als gemütlich und auf geradezu perfekte Weise verwohnt empfinden, wird unsere Partnerin nervös. Sie beginnt, Wände, Decken, Böden, Möbel und selbst uns mit nachdenklichem Blicken bedenken, still kalkulierend die Augen zusammen zu kneifen und undeutlich vor sich hin zu murmeln. Wer jetzt die Gelegenheit beim Schopfe packt und seine Lebensab-Schnitte von einem eingeweihten Hausarzt in eine geschlossene Abteilung einweisen lässt, erspart sich zumindest kurzfristig eine Menge Streß.

Wer die dazu notwendige Chuzpe nicht aufzubringen vermag, wird alsbald subtil in Konversationen eingestreute Sätze zu hören bekommen wie:„Diese Wand muß dringend mal wieder gestrichen werden“, „Ich kann dieses Muster nicht mehr sehen“ oder auch „Ich hätte die Badewanne gern dort, wo jetzt der Fernseher steht“.
Wer jetzt mit einem schlichten „Nein“ oder einer anderen Form von pauschaler Ablehnung reagiert, hat schon verloren. Den entweder wird er ab sofort von einem Flächenbombardement aus nörgeligen Seitenhieben und bösartig platzierten Spitzen eingedeckt, bis er unter diesen zerbröselt wie Dresden `45. Oder er kommt irgendwann nach Hause und findet das eingangs beschriebene Chaos vor.
Denn selbstverständlich gibt sich die Königin der eigenen 4 Wände nicht mit „Schöner Wohnen“ zufrieden. Es ist immer ein „Noch Schöner Wohnen“ drin. Und dabei werden „Neins“ nicht akzeptiert. Schon unser Freund der Neandertaler musste alle halbe Jahre ein paar neue Deko-Stoßzähne oder Schlaf-Kiesel in die Höhle rollen, statt sich gemütlich mit der neusten Ausgabe der Wochen-Schiefertafel von „Jagen&Sammeln“ oder „Speer-Tuning 2000“ auf den Fernseh-Hügel zurück zu ziehen.

Wer das verstanden hat und trotzdem ein einigermaßen geregeltes Leben ohne böse Überraschungen führen möchte, der lerne frühzeitig, der Lebensabschnittsgefahr in ihren Bestrebungen beizupflichten. Nur so hat man eine Chance, zumindest einen Teil der Wohnung im gewohnt-gemütlichen Urzustand belassen zu können. Nur wer früh klein beigibt, kann Schlimmeres verhindern. Wer opponiert, der endet wie Al Bundy in der folgenden Episode.

Andererseits: Dieses sensible Gleichgewicht zwischen maskuliner Kontinuitätssehnsucht und femininem Renaissancestreben bringt zwar stets Spannungen, aber auch Würze in unser Leben. Denn, wenn wir ehrlich sind, brauchen wir eine Partnerin, die uns verlässlich darauf aufmerksam macht, dass die 80er-Jahre-Stretchunterhose mit den faustgroßen Löchern in letzter Zeit einiges von ihrer erotischen Strahlkraft eingebüßt hat, egal, wie bequem wir sie finden. Und wer sonst sollte uns wohl darauf hinweisen, dass sich unser Konfirmationsfoto nur bedingt für das Bewerbungsanschreiben für die neue Führungsposition eignet. Und wieso der Schraubenzieher, mit dem wir uns vor sechs Monaten mal einen Brocken Hundescheiße von Schuh gekratzt haben, noch immer patinaverkrustet im Badezimmerschrank liegt, dass können wir Männer uns garantiert nicht mehr zusammen reimen. Sie hingegen weiß genau, wie es dazu gekommen ist*. Dafür wir lieben wir unsere besseren Hälften doch. Oder nicht? Denn letztendlich brauchen wir jemanden, der uns ab und an mal in den wabbelig gewordenen Hintern tritt, denn, Hand aufs Herz: Wir verlottern sonst. Am besten lässt sich das an Männern erkennen, deren Frauen mal für zwei Wochen zur Kur fahren oder anderweitig für einen gewissen Zeitraum das gemeinsame Domizil verlassen. Nach 14 Tagen ziehen sie nach ihrer Heimkehr einen stinkenden, unrasierten Cro Magnon unter einem Stapel Pizzakartons und schmutzigen Socken hervor, dem die Fernbedienung in der Handfläche festgewachsen ist. Männer sind in der Lage, ohne die (neu)ordnende Hand einer weiblichen Person innerhalb weniger Stunden sämtliche zivilisatorischen Fesseln abzustreifen und uns in sabbernde Halbaffen zu verwandeln, die sich im Fernsehen stundenlang mit wachsender Begeisterung Bikinimiezen beim Schlammcatchen oder uralte Didi-Hallervorden-Filme anschauen können.

PS: Wer bei den letzten zwei Sätzen feuchte Augen und ein seliges Grinsen ins Gesicht bekommen hat: Such dir `ne Frau. Schnell! Bevor es zu spät ist! Sonst droht dir ein frühes Ende in glücklicher Agonie, felicitas mortuus primates!

Aber nun für alle Nostalgiker unter euch, wie versprochen, Al Bundy, passend zum Thema. Den zweiten Teil der Folge findet ihr hier.




*) Weggeräumt hat sie ihn aber auch nicht. Aber das nur nebenbei.

Keine Kommentare: