Montag, 9. November 2009

Nervensägen-Ranking

Es gibt im täglichen Leben immer Menschen, die einem auf den Senkel gehen, auf die ein oder andere Art und Weise. Jenen Spitzenkandidaten unter ihnen, mit denen wir uns direkt und live auseinander setzen müssen, gehen wir weiträumig aus dem Weg. Jene, die uns „nur“ auf dem Umweg über die Massenmedien begegnen, zappen wir schnellstmöglich weg. Es sei denn, wir sind ein bisschen Maso drauf, dann kucken wir uns die Orgelpfeifen natürlich an und lassen uns dabei vor lauter Grausen eine dritte Augenbraue wachsen. Hier meine persönlichen „Worst 4“ der Männer, bei denen ich mir lieber mit einem Flammenwerfer die Achselhaare entfernen lasse, als ihnen länger als die paar Sekunden zu lauschen, die ich zum Wegzappen brauche.

Platz 3 teilen sich brüderlich Ralph Siegel und Georg Preusse alias „Mary“. Das tragische bei beiden: Ersterer ist bzw. war wirklich mal richtig erfolgreich, letztere(r) hat wirklich etwas zu sagen. Leider hat Herr Siegel den Grundsatz „Wenn’s am schönsten ist, soll man aufhören“ nie kapiert und geistert als ewiger Wiedergänger des belanglosen Popliedchens durch die Katakomben der europäischen Schlagerlandschaft, quasi das „Phantom des Grand Prix“. So nervt er uns jedes Jahr wieder mit einem neuen Anlauf, mit dem er beinah in jedem Jahr noch grandioser scheitert als im Jahr davor. Als wenn nicht schon die mediale Präsenz von Töchterchen Giulia, für die er ja indirekt mitverantwortlich ist, ein hinreichendes Plädoyer für die Wiedereinführung der Prügelstrafe gewesen wäre…
Georg Preusse hingegen nervt mich persönlich auf ganz andere Art. Zum einen ist er auf dem Gebiet der Travestie im positiven Sinne eine Ausnahmeerscheinung, zum andern hat er auch was im Kopf und lässt das sein Publikum auch wissen. Nur leider ist die Travestie-Nummer mittlerweile ein dermaßen alter Hut, dass man damit kaum noch eine Botschaft transportieren kann. So gehen bei Preusse ernst gemeinte Messages zwischen lahmen Zoten und vermeintlich koketten, in Wirklichkeit aber lediglich abgedroschenen Anzüglichkeiten unter. Mensch Georg, wir haben einen schwulen Außenminister! Da lockt doch ein Mann in High Heels und Glitzerfummel keinen mehr hinterm Ofen hervor, vielleicht mal abgesehen von den paar Hanseln, die schon in den 80ern über Marys Penis-Witze gelacht haben!

Auf Platz 2 landet beim Michel Klaus Meine, für Namenslegastheniker einfach nur: der Sänger der „Scorpions“.
Herr Meine, stets erkennbar an verkehrtrumer Mütze und ununterbrochenem Kaugummigekaue, wäre prinzipiell als vermeintlich aufrechter, „echter“ Musiker nie auf dieser meiner Liste gelandet. Wenn er nur nicht so ein fürchterlicher Jammerlappen wäre. Ich glaube, ich habe noch nie ein Interview mit ihm gesehen, wo er nicht, ungeachtet der eigentlichen Frage, umgehend darauf zu sprechen gekommen wäre, dass die „Scorpions“ soeben von ihrer jährlichen Sommertour durch Lampukistan kommen, wo sie jeden Abend vor einer Milliarde Menschen aufgetreten sind, mittlerweile in ganz Südamerika als Götter verehrt werden und ganz nebenbei mal alleine den kalten Krieg beendet haben. Nur um im nächsten Satz darüber zu beschweren, dass in Deutschland mal wieder keiner davon Notiz nehmen will.
Nur mal so zwischen uns zwei Pfarrerstöchtern, Herr Meine, erstens: Mit „Wind of change“ haben Sie nicht nur einen der erfolgreichsten, sondern auch einen der nervtötendsten Schmachtfetzen der Musikgeschichte geschrieben. Das sehe nicht nur ich so, wie ein Blick in zahlreiche Internetforen beweist. Zweitens: Dass Sie sich ständig selbst hochleben lassen, nervt, so erfolgreich Sie auch tatsächlich sein mögen. Diese weinerliche Larmoyanz steht einem "taffen" Rockmusiker, der Sie ja sind, nicht sonderlich gut zu Gesicht.

Platz 1 hat sich in langen Jahren harter Arbeit Gunter Gabriel erkämpft. Gunter Gabriel geriert sich, so lange ich zurückdenken kann, als „Arbeiterjunge“, als „Malocher“, als „Sohn aus dem Volk“*, der stets gerade heraus und frei Schnauze seine Meinung sagt und für die Interessen der kleinen Leute kämpft. Dies betont er stets und ständig und fischt damit Sympathien, die er eigentlich nicht verdient. Denn in Wirklichkeit hat er in den letzten zwanzig Jahren in diversen Talkshows, Boulevardmagazinen und in der Yellow Press einen bunten Strauß widersprüchlichster Standpunkte vertreten, jedes Mal mit der ewig gleichen „ich bin ja sooo authentisch“-Attitüde. Diese versucht er durch extra prollige Wortwahl noch zu unterstreichen (Gabriel sagt nicht „Mund“, sondern „Maul“, nicht „Geld“, sondern „Kohle“ usw.). Als weiteren Beweis seiner ungeheuren Authentizität stellt er es dar, dass er kaum eine Peinlichkeit seines Privatlebens unausgesprochen lässt. Pleiten, Drogen, Gewalt gegen Frauen, stets geht Gabriel damit offensiv an die Öffentlichkeit und versucht über die Rolle des reuigen Sünders, als „einer von uns, der einfach vom Weg abgekommen ist“, wieder ein paar Pluspunkte beim Publikum zu scheffeln. Was er bei aller Spiegelfechterei nicht sagt: Hier versucht einfach nur jemand, der mal erfolgreich war, sich krampfhaft wieder ins Gespräch zu bringen, koste es, was es wolle. Wäre er mir sympathischer, ich würde ihn glatt bemitleiden. Leider wird er mit der Zeit immer unausstehlicher, denn seit einigen Jahren gibt er den altersweisen, geläuterten Songschreiber, der für alles und jeden eine überflüssige Lebensweisheit parat hat. So auch zuletzt im ZDF, wo er mal wieder erzählen durfte, daß alle möglichen bösen Menschen ihn um sein Geld betrogen haben, er sich aber im Schweiße seines Angesichts wieder ganz allein am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat und sogar ein paar Tränchen verdrücken mußte, weil sein Vater ihm zeitlebens nie gesagt hat, wie stolz er auf den Sohnemann ist.

*) so heißt übriges auch seine letzte CD

PS: Die persönliche Wahrnehmung ist eine Sache. Die Realität eine andere. Und das Internet nochmal eine ganz andere.
Grund für dieses Statement: Ich habe trotz intensivster Suche im Netz kein einziges Video von den Scorpions gefunden, in dem der Herr Meine Kaugummi kaut oder sich über die Mißachtung der deutschen Öffentlichkeit beschwert. Entweder wurden alle einschlägigen Beiträge von wohlmeinenden Fans weggeputzt, erst gar nicht eingestellt, oder meine Wahrnehmung spielt mir einen bösen Streich.
Es heißt nicht von ungefähr: "Meinungen sind wie Arschlöcher Darmaustrittsöffnungen - jeder hat eine." Blogger ganz besonders.

Keine Kommentare: