Das Schöne und vielleicht gleichzeitig Tragische an Schichtarbeit ist, daß der persönliche Fernsehkonsum zuweilen zu den unmöglichsten Zeiten stattfindet Zu Zeiten, in denen man den Eindruck haben muß, daß sich die Programmmacher unbeobachtet fühlen und einfach irgendeinen Bockmist in den Videoplayer schmeißen. Hauptsache, es flackert irgendwie bunt auf der Mattscheibe. Denn nur so ist zu erklären, was für Schrott beispielweise vormittags läuft.
Nehmen wir nur mal das Programm von vergangenen Freitag.
Auf SWR läuft eine Art italienischer Musical-Western namens „Blaue Bohnen für ein Halleluja“ aus dem Jahr 1967. Wer jetzt an Bud Spencer denkt, der ist auf die öffentlich-rechtlichen Fernsehfuzzis reingefallen. In diesem wohl schlechtesten Film aller Zeiten, dem ich je 10 Minuten meiner kostbaren Lebenszeit geopfert habe, dreht sich alles um einen „Little Big Jane“ genannten Vierkäsehoch, vermutlich ein italienischer Schlagerstar der 60er Jahre, die aussieht wie eine Kreuzung aus Heintje und Marcy Rhodes aus „Eine schrecklich nette Familie“. Diese verbündet sich mit Indianern, um alles Gold des Wilden Westens einzusammeln und zu diesem Zweck alle Nase lang Banditen zu erschießen, die allesamt aussehen wie Clint Eastwood aus dem Plattenbau. Zwischendurch bricht sie immer wieder unvermittelt in alberne Gesangsnummern aus, bei denen italienisch singende Indianer mit Federschmuck in den Farben des Regenbogens um Pappmaschee-Marterpfähle tanzen. Nun könnte das ganze als miese Parodie durchgehen, wenn die Macher nicht versucht hätten, zwischen den Gesangseinlagen einen ernsthaften Spaghettiwestern draus zu machen. Die grausig auf originell gebürstete deutsche Synchro tut ein übriges.
Zappen wir zu „Servus TV“, einem österreichischen Privatsender im Besitz der Firma „Red Bull“. Wo sonst vermehrt von Red Bull gesponsorte Extremsport-Events laufen (immerhin in HD), darf heute ein Sonderling im Irokesen-Outfit und mit breitem Alpendialekt darüber fabulieren, daß er mit Geflügel gut kann und schon als Schulkind Hühner dressiert hat. JA, richtig gehört. Weitere Details über sein besonderes Verhältnis zum Federvieh ersparte uns der Wienerwald-Apache, Manitu sei Dank. Immerhin brachte ihn die Frage des Moderators, ob er sich denn aus den Hühnerfedern auch seinen Federschmuck bastele, ebenso aus der Fassung wie in Rage.
ZAPP! Im türkischen Fernsehen darf ein Arzt namens Ugur Dikmen (der türkische Erfinder des gleichnamigen Schokokusses-HARHARHAR!) sich über Vorteile der Laser-Liposuktion verbreiten. Auf Türkisch, selbstverständlich, während vor aller Ungläubigen Augen live der makellose Waschbrettbauch einer jungen Dame geblitzdingst wird.
ZAPP! Im polnischen Fernsehen laufen gerade non-stop Medikamenten-Werbespots. Kein Witz. Keine Ahnung, wie die Polen ihre Werbezeiten einteilen, aber es liefen tatsächlich sieben (!) Pharma-Spots in Folge. Den einzigen, den ich sofort wiedererkenne, ist der für „Strepsils“ mit „Flurbiprofen“, bei dem ich mich jedes Mal frage, ob man zur Herstellung des Medikaments wohl einen Flux-Kompensator braucht.
Im Anschluß an die Pillen-Parade laufen Nachrichten. Die ersten zwei Meldungen drehen sich, nach gängigen Polen-Klischees wenig überraschend, um den Papst. Ständig ist von „Podpis Benedikta“ die Rede, was nur so lange lustig klingt, bis man erfährt, daß „Podpis“ nicht das bedeutet, was man denkt, sondern „Unterschrift“.
ZAPP! Auf 9live werden grade zur Abwechslung mal keine dreibuchstabigen Tiere, die auf –är enden, gesucht, sondern Walter „Teleshopping“ Freiwald verhökert „Traumbodys“ genannte, handgeschmiedete Rundstrickmieder aus den Restbeständen des VEB Glasfasertrikotagen, mit dem sich mopplige Damen ihre Rettungsringe ins Körperinnere quetschen können. Bilder, die man nie vergißt. Leider.
In Sachen Lebensdauer macht 9live seinem Namen auch alle Ehre. Bevor der mal aus der Sendelandschaft verschwindet, muß man ihn wohl ebenfalls wie die sprichwörtliche Katze neun Mal überfahren, ersäufen und vom Balkon werfen. Und am besten am Ende noch einen Pflock durchs Herz, damit er auch ja nie als neuer Verblödungssender wieder aufersteht.
Gerade noch rechtzeitig zappe ich zum BR, wo eine Paragliderin zugibt, daß sie beim Gleiten gerne Windel trägt, weil sie eben nicht wie ihre männlichen Kollegen einfach laufen lassen kann. Endlich mal eine Information an diesem Vormittag, mit der man etwas anfangen kann. Und die mir sicher wieder einfallen wird, wenn ich mal wieder Menschen sehe, die ahnungslos und fasziniert dabei zuschauen, wie Paraglider über ihren Köpfen ihre Kreise ziehen.
ZAPP! Auf „Bibel TV“ laufen derweil vor besinnlicher Naturkulisse eingeblendete Bibelsprüche, untermalt von religiösen Erbauungsschlagern, die entweder klingeln wie „We are the world“ oder wie die Gefangenenchor-Gesänge, die gewöhnlich den Abspann von Charlton-Heston-Historienschinken begleiten. Im Prinzip ist dieses Spar-Programm damit kaum gehaltvoller oder unterhaltsamer als ein Testbild. Wer zum Teufel guckt sich sowas an?
ZAPP! Na, gugge ma daa: een noior Sendor: „Tier TV“. Hier scheint sich tatsächlich 24 Stunden täglich alles um das Thema Tiere zu drehen. (Bei dem Namen natürlich wenig überraschend, aber man weiß ja nie. Am Ende ist entpuppt sich sowas dann vielleicht als neuer Kuppelsender für die "Bauer findet keine Frau"-Klientel.) Aber zumindest nach heutiger Programmanzeige kreisen die Themen um Hunde, Pferde und Falken, gleich in mehrfacher Wiederholung bzw. Programmschleife. Sieht insofern nach einem Proto-Typen für die Verkörperung der Rubrik „Spartensender“ aus. Und könnte ebenso gut „Hanni und Nanni-TV“ heißen.
ZAPP! Auf „Das 4.“ läuft sinnigerweise das Programm von „Astro TV“ parallel. Eine nervige, etwas verquollen wirkende Dame mit Silberblick mischt ununterbrochen Karten und sondert im Minutentakt oberlehrerhafte Lebensweisheiten ab. Wobei für den Fernsehzuschauer jeweils nicht zu hören ist, was die Anrufer sagen, was dies gleichzeitig zu einer besonderen Art von Ratesendung werden läßt. Welche Frage hat der Anrufer wohl gestellt, die der überschminkte Esoterik-Mops kurzerhand mit den Worten „Das wird wohl nix mehr mit euch.“ abbügelt? Andererseits hält sich mein Mitleid mit den Anrufern durchaus in Grenzen. Keine wie auch immer geartete Lebenskrise rechtfertigt ausgerechnet einen Anruf bei Astro TV. Wer heute tatsächlich immer noch dumm genug ist zu glauben, daß irgendeine unsympathische Schießbudenfigur einem am Telefon zum Preis horrender Gebühren die reale Zukunft voraussagen kann, der hat es nicht anders verdient, als nach Strich und Faden verarscht zu werden.
ZAPP! Auf DMAX läuft etwas, was ich eigentlich nur als Switch-Parodie kenne: Die Ludolfs. Ich frag mich, welcher Tv-Schaffende die wohl entdeckt haben mag. Es muß etwa so abgelaufen sein wie in einschlägigen Horrorfilmen: Jugendliche Filmcrew hat in der Wildnis Arizonas (oder Südhessens) eine Autopanne. Auf der Suche nach dem Highway (bzw. der A7) treffen sie auf das windschiefe Domizil inzestuöser Hinterwäldler, die inmitten eines Autofriedhofs ihren kannibalistischen Neigungen nachgehen. Die Ludolfs sind so ähnlich, mit dem Unterschied, daß sie keine Menschen verhackstücken, sondern lediglich die deutsche Sprache. Beispiel gefällig? „Ich drück jetze ma‘ den Pedal, un‘ dann muß du aufpassen wegen den Hydraulich.“
Allerdings nehme ich von der heutigen Episode (meiner ersten überhaupt) auch eine kleine Weisheit mit. Bruder 1: „Nur der erste Gang ist kaputt.“ Bruder 2 darauf: „Was willste mit den ersten Gang?“
Womit er auch wieder irgendwie Recht hat.
ZAPP! Eine kleine Perle ist auch „Luxe TV“. Hier werden in HD ganztägig als Reportage getarnte Werbefilmchen ausgestrahlt, die sich mit all dem beschäftigen, was sich der normale Fernsehzuschauer nicht leisten kann: Luxusgüter (momentan eine amerikanische Nobelherberge), je teurer, desto besser. Das Pikante an dieser schnarchigen Hochglanz-Protzerei: Lt. wikipedia ist der Sender insolvent. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…
Auf einem der unzähligen Dauerwerbesender wird soeben „EarZoom“ angepriesen. Ein Hörverstärker, der ein bißchen so aussieht wie das Korkenzieher-Headset, das sich Lt. Uhura vom Raumschiff Enterprise immer in den Gehörgang geschraubt hat. Das Teil wird u.a. als völlig unauffälliges Spionagegerät angepriesen, mit dem man heimlich Gespräche belauschen kann. Wenn das nicht DAS High-End-Gerät für unseren Geheimdienst ist, dann weiß ich auch nicht. Störend könnte sich nur auswirken, daß das Ding a) alles mögliche ist, nur nicht unauffällig, und b) daß es (was die Werbung verschweigt) ALLE Geräusche verstärkt. Wer also im Cafe sitzt und Teenager am Nebentisch belauschen will, der sollte darauf hoffen, daß der Kellner nicht nebenan ein Tablett mit Gläsern fallen läßt. Farewell, Trommelfell.
Über all die anderen zahllosen Teleshopping-, Pseudosport- und weiteren Sparten-Kanäle und –Kanälchen will ich lieber die Decke des Schweigens breiten. Auch, weil mich schließlich die Uhr von meinem Leiden erlöste, weil ich dann doch noch zur Arbeit mußte. Selten habe ich mich so über die imaginäre Schichtglocke gefreut.
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