Sonntag, 5. Juni 2011

Der Marlboro Mann ist tot

Philip Morris hat nach ein paar personellen Wechseln im Marketing-Bereich mal wieder an der Kern-Marke herum geschraubt, um das Gefühl von Freiheit und Abenteuer ins nächste Jahrhundert zu transferieren.
Statt abgelederter Viehtreiber präsentiert man dem Konsumenten nun bis auf weiteres gesichtslose Jungspunde, die irgendwo versonnen in der Landschaft herumlungern. (Keine Angst, in spätestens 5-10 Jahren gibt es mit Sicherheit - total originell, weil da noch nieeeee jemand vorher drauf gekommen ist - ein Revival. Und da ist dann sicher auch wieder der ein oder andere Kuhjunge dabei. Daß Cowboys seit "Brokeback Mountain" nur noch "Eve 100" rauchen, ist lediglich ein böses Gerücht.)

Begleitet wird die "Be Marlboro" - Campagne mit einer Fülle hohler Schlagwörter wie "Free - real - be the listener - open", so zu sehen auf einem Plakat, auf dem ansonsten ein junger Mann auf einem Felsen herumliegt, umgeben von schneebedeckten Gipfeln. Nicht nur, daß der Typ für die Höhe recht dünn gekleidet ist (vielleicht zeigt das Motiv auch einen an einem Felsvorsprung festgefrorenen, längst vergessenen Bergsteiger?). Das letzte, das einem in der klaren, eiskalten und vor allem sauerstoffarmen Gipfelluft in den Sinn kommt, ist, sich dort oben eine anzustecken.
Und wieso "the listener"? Wen oder was hört der da auf dem Gipfel? Abgehende Lawinen? Den Paarungsruf der roten Bergameise?
Oder hört er sich selbst beim Rauchen zu? WOW! So ein erfüllendes Hobby hätte ich auch schon immer gerne gehabt...

Denselben jungen Mann gibt's auf einem anderen Plakat nochmal im Close-Up, wieder oben auf dem Berg, in entspannter Haltung, mit Kippe. Allerdings macht er in seinem Großstadt-Schlabberpulli eher den Eindruck, als wär er grade "gechillt" aus einem Ost-Berliner Keller-Club gestolpert. Von wegen "Freiheit und Abenteuer" - so ist der garantiert nicht auf den Berg gekraxelt. Eher hat sich der angebliche Adrenalin-Junkie schön gemütlich vom Heli rauftragen lassen. Total crazy, der Mann. 
Der daneben stehende, hochgradig pathetische Slogan "Be the moment" kommt so allerdings eher etwas gebückt rüber. Ein Moment ist eine relativ kurze Zeitspanne, die ruck-zuck vorbei ist und nicht mal ausreicht, um ein zweites Mal an einer Zigarette zu ziehen. Warum also sollte irgend jemand "ein Moment sein" wollen?

Überhaupt: Als ich den Slogan "Be Marlboro" zum ersten Mal las, dachte ich: "Auf sowas können auch nur Werbefuzzis kommen". Klingt kurz, griffig und gleichzeitig so verschwurbelt, daß der Interpretationsfreude keine Grenzen gesetzt sind, heißt aber, auf das Produkt heruntergebrochen, "sei eine Zigarette". Nun kann ich mir zwar vorstellen, im Leben mal in andere Rollen zu schlüpfen. Aber die Vorstellung, ein mit Tabakkrümeln und Drogen gefülltes, verglühendes Papierröllchen zu sein, reizt mich nicht sonderlich. Und bis auf die Typen hier kenn ich auch niemanden sonst, der gerne ein Glimmstengel wäre.

Noch bescheuerter fand ich allerdings ein anderes Motiv, auf dem ein Typ bis zum Nabel im Meer steht und erwartungsvoll eine Riesenwelle anguckt, die geradewegs auf ihn zurollt. Slogan dazu: "Be the first" - "Sei der Erste".
Der Erste von was? Der Erste, der versucht, mit freiem Oberkörper einen Tsunami aufzuhalten? Der Erste, der sich kurz vor Ersaufen noch eine Fluppe anzündet? Total besemmelt, wenn ihr mich fragt.

Der Brückenschlag zwischen "Marlboro=Freiheit" und "Outdoor=Coolness" funktioniert bei sonnenverbrannten Rauhbeinen, die sich ihre Schwefelhölzchen am Drei-Tage-Bart anreißen und denen man ihre Fluppen aus den toten, kalten Händen meißeln muß. Daß ausgerechnet so ein NiveaCreme-Reinhold Messner mit Globetrotter-Strickmützchen und Fitneß-Guru-Attitüde Marlboros quarzend durch die Botanik joggt, will mir irgendwie nicht so recht eingängig scheinen.

Ohnehin gebricht es der global vernetzten, urbanen Generation Facebook, die mit der Campagne ja offensichtlich angesprochen werden soll, völlig am nötigen "Marlboro-Cowboy"-Appeal. Auf der einen Seite der heilige Ernst, mit der die knarzigen Jungs aus dem Marlboro Country ihrer Arbeit nachgehen, auf der andern Seite City-Guerilleros, deren Telefone smarter sind als sie und die sich bei Jochen Schweizer ein durchgeplantes Rafting-Wochenende gebucht haben. Die einen rauchen, weil es das einzige ist, das sie von einer Strafexpedition ins nächste Indianerreservat oder von gleichgeschlechtlicher Liebe abhält. Die andern rauchen, weil das Koks alle ist.

Nö, Philip Morris. Das war nix.

1 Kommentar:

René hat gesagt…

Naja, die Werbeindustrie ist eh selten kreativ. Manche Ergüsse kann man nur mit starkem Drogenkonsum erklären.

Gruß
René