Samstag, 11. Februar 2017

Splitter

Beim Spazierengehen ist mir heute aufgefallen, wie viele Gebetsketten, Christopherusse (Christopheri?) oder Nazar-Augen an deutschen  Autorückspiegeln herumbaumeln.
Haben die Fahrer tatsächlich so wenig Vertrauen in ihre Fahrkünste, dass sie sich zusätzlich mit Talismanen absichern müssen? Die Vorstellung, dass hier lauter Sonntagsfahrer herumgurken, die sich nur mit spiritueller Vollkasko hinters Steuer trauen, flößt mir eher Unbehagen ein.
Zumal zum Teil der Umfang der Rückspiegel-Deko, plus diverser Duftbäumchen und anderer Erwachsenen-Mobilès, den ungehinderten Blick durch die Frontscheibe stark einschränkt.

Es sei denn, man ist Fürstenfeld-Brucker. Dann benötigt man tatsächlich bei der Teilnahme am Straßenverkehr jede Hilfe, die man kriegen kann.

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Habe gestern "ZDF History - Die großen Mauern der Geschichte" gesehen. Dabei ging es natürlich auch um die Berliner Mauer bzw. die innerdeutsche Grenze.

Ich hab lange in einem vermeintlich seriös-wissenschaftlichen Format soviel Geschichtsklitterung erlebt. Das hätte vermutlich sogar "Galileo" seriöser hinbekommen.
Vermutlich haben sich die Erben Gerhard Löwenthals ausgetobt, denn die Darstellung war komplett einseitig, frei nach westdeutscher Propaganda-Lesart: Die innerdeutsche Grenze war eine primitive, "architektonisch erbärmliche" Todesfalle, die die DDR-Bürger einsperren sollte. Was leider nur die halbe Wahrheit ist, aber weder die Vorgeschichte, noch die rechtliche Situation, noch weitere Gründe für den Mauerbau kamen zur Sprache.
Auch bei der Zahl der Opfer Ungenauigkeiten. "Zehntausende" sind geflohen, "Zehntausende" wurden verhaftet, "mindestens Tausend" Opfer fordert die Grenze.
Warum so schwammig? Tatsächlich gibt es um die Zahlen eine ewige Kontroverse. Die Stasi hat erst ab 1976 Statistiken geführt, danach waren es bis 1989 exakt 110.907 Personen. An anderer Stelle wird die Zahl von 176.000 genannt. Was vor 1976 war, darüber gibt es wohl nur Schätzungen.
Noch ungenauer ist es bei den Todesopfern. "Mindestens Tausend" scheinen da sehr aus der Luft gegriffen. Die letzte, umstrittene Nennung lautet 1303 Personen, wobei da sogar sowjetische Deserteure, erschossene DDR-Grenzer, Selbstmörder und Todesopfer an anderen Grenzen einberechnet sind. Wissenschaftler halten die Zahl für stark überhöht.

Kleines Detail am Rande: Das private "Mauer-Museum", das letztere Zahl veröffentlicht hat, wurde von einem der Gründer des schon erwähnten KgU ins Leben gerufen, was Zweifel an der Objektivität der Quelle aufkommen läßt. Weiteres Detail: Die Witwe des Gründers hat einen nach ihm benannten Menschenrechtspreis initiiert (wie macht man sowas?), der gewaltloses Engagement ehrt.
EinSchelm, der Böses dabei denkt. Als Initiator, Organisator und Finanzier von Sabotage-Anschlägen, bei denen Todesopfer in Kauf genommen oder sogar beabsichtig waren, würdet man den Mann aus heutiger, medialer Lesart vermutlich als "Terror-Fürst" bezeichnen.
Wirft man einen Blick auf die bisherigen Preisträger, kommen bei dem ein oder anderen auch Fragezeichen bzgl des "außerordentlichen, gewaltlosen, menschenrechtlichen Engagements" auf. Aber ich merk schon, ich komm wieder vom Hundertsten ins Tausendste.
Googelt doch selber...

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Schonmal aufgefallen, dass für Amis immer alles nach Hühnchen zu schmecken scheint, egal, was für Fleisch man ihnen vorsetzt? Das Taste-Like-Chicken-Phänomen begegnet einem nicht nur als vermeintlicher Film-Gag, sondern auch im US-Reality-TV und im normalen Leben.
In "Idiot America - How Stupidity became a virtue in the land of the free" (Buchtipp!) wird u.a. erklärt, warum das so ist. Kleiner Spoiler: Es hat mit der Menge an Geflügel zu tun, die der Durchschnitts-Amerikaner zu sich nimmt. Nix mit T-Bone-Steak: Allein am Super Bowl verputzen Amis 1,3 Milliarden Chicken Wings. Das macht 650.000 Hühnchen an einem einzigen Wochenende.

Das Buch gibt es leider nicht auf Deutsch, lohnt sich aber auf jeden Fall, wenn man hinter das Geheimnis des Niedergangs wissenschaftlich belegter Tatsachen (real news vs fake news) kommen möchte. Es gibt da einige bedenkenswerte Parallelen zwischen den Entwicklungen in den USA und bei uns.

Was nebenbei bei der Lektüre des locker aufbereiteten Sachbuchs auffällt: Es werden Schlüssel-Sätze bzw. -Erkenntnisse stetig wiederholt. So, als wolle der Autor sicher gehen, dass diese tatsächlich beim Leser ankommen. Als wenn er für Menschen schreiben würde, deren Aufmerksamkeitsspanne knapp unter der einer Stubenfliege liegt.

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Verfolgt man US-Reality-Fernsehen, fällt einem ebenfalls etwas auf: Die Protagonisten benutzen immer dieselben, simplen Phrasen und Begriffe. Egal, woher die Leute kommen, aus welcher Region oder sozialen Schicht - es fallen immer dieselben Sätze. Besonders nervig finde ich, dass der Amerikaner jegliches Fleisch als "protein" umschreibt. Egal, ob es sich um eine Koch-, Talk- oder Survival-Show handelt, es heißt jedes Mal "we need protein", bevor jemand ein Schnitzel brät oder einen Leguan killt. Dabei heißt "protein" auch im US-Englisch lediglich nichts anders als "Eiweiß".

Besonders, wenn es um die Beschreibung eigener Emotionen geht, scheint die Sprache sehr verarmt und stark ritualisiert, zumindest im TV. Situationen sind entweder "terrifying", "amazing" oder meist einfach "awesome", oft mit einem vorangestellten "pretty much" oder "kind of". Mehr ist da oft nicht.
Wird jemand gefragt, wie etwas schmeckt, heißt es in 99% aller Fälle: "Oh, this is so good!", mit besonderer Betonung auf dem "so".

Im deutschen Fernsehen begegnet einem das Phänomen dankenswerterweise nur selten, z.B. bei Germany's Next Top-Model - vermutlich kein Zufall, nachdem Heidi Klum stark vom US-Fernsehen geprägt ist, wo sie ja auch dauernd auftaucht.
Bei GNTM hat die ständige phrasenhafte Wiederholung scheinbar Methode, wenn Klum zum gefühlt 1000sten Mal sagt, "nur eine kann GNTM werden", oder "du bist ein wunderhübsches Mädchen, aber ich habe heute leider kein Foto für dich", bis hin zu den ritualisiert wirkenden Selbstreflexionen der "Mädchen", dass sie schon "ihren Weg machen" werden - was immer das bedeutet.



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