Sonntag, 22. Oktober 2017

Immer schön die Brille aufbehalten!

Nachdem ja nun bald sämtliche Privatsender irgendwelche Spartenkanäle aufgemacht haben, zu dem einzigen Zweck, schlechte Revivals altbackener Rateshows und altbackene Wiederholungen schlechter Serien in Dauerschleife auszustrahlen, flimmerte gerade "Kung Fu - im Zeichen des Drachen" beim Zappen an mir vorbei.

Wow. Wer schon immer gern mal ungelenkes, unfreiwillig komisches Martials Arts-Gehampel mit wie in Zeitlupe agierenden Darstellern sehen wollte, der liegt bei der Serie goldrichtig.

Und noch etwas fiel mir in dem Moment auf: All diese 80er/90er Serien haben dieselbe Optik und denselben Erzählstil. Was damit zusammenhängt, dass zu 90% alle aus der Feder derselben 4 Autoren/Produzenten stammen.

Das Heldenteam, bestehend aus 2 bis 5 Mitgliedern, kommt irgendwo an (A-Team, Renegade) oder erhält einen Auftrag (MacGyver, Ein Colt für alle Fälle).

Kurz darauf kommt es zur ersten Konfrontation mit den "Bösen", meistens Drogenhändlern (Renegade), fiesen Rockern (Ein Colt für alle Fälle) oder russisch-kubanischen Geheimagenten (MacGyver). Meistens wird dabei irgendeine junge Frau bedrängt, weil sie ihre Farm nicht verkaufen will (A-Team), unschuldig eines Verbrechens beschuldigt wird (Ein Colt für alle Fälle) oder von ihrem ermordeten Vater die Geheimformel für waffenfähiges Plutonium geerbt hat (MacGyver).
Die Helden schreiten zur Rettung und erhalten zur Belohnung neue Informationen, die den Helden einen Level-Aufstieg ermöglichen und der Geschichte eine 90-Grad-Wendung verleihen.

Während die Helden noch an einer Strategie basteln, kommt es häufig zu einer zweiten Konfrontation, bei der entweder die junge Frau entführt wird (Trio mit 4 Fäusten), das Auto des Helden kaputt geht (Magnum) oder einer der Helden mit einem Stromkabel an ein Abflussrohr (Agentin mit Herz) oder einen Kaktus (MacGyver) gefesselt wird.

Infolgedessen kommt es zur spektakulär inszenierten Vorbereitung, bei der sämtliche Spezialfähigkeiten der Helden zum Tragen kommen. Entweder werden Dinge verschweißt (A-Team), verknotet (MacGyver), gehackt (Trio mit 4 Fäusten), oder der Held fährt einfach besonders schnell mit dem Auto (Knight Rider, Magnum) oder dem Motorrad (Renegade) irgendwohin. Manchmal erhält der Held auch irgendwelche spirituellen Botschaften (Kung Fu, Ein Engel auf Erden).

Als nächstes kommt der große Showdown. Die Helden tauchen auf, die Bösen (erkennbar an ihren beigen Klamotten) feuern aus allen Rohren, pulverisieren aber lediglich zufällig herumstehende Tonnen, Kisten oder Papp-Hauswände.
Die Helden bekommen keinen Kratzer ab, im Gegenzug werden die Bösen unblutig verkloppt (Ein Colt für alle Fälle), unblutig erschossen (A-Team), unblutig in die Luft gesprengt (MacGyver) oder per Roundhouse-Kick (Walker, Texas Ranger) ins Jenseits befördert.

Das Mädchen wird gerettet, die Wissenschaftler werden aus der Gefangenschaft befreit, die Bauern werden nicht länger tyrannisiert. Es folgt der unweigerliche Schluß-Gag (Ein Colt für alle Fälle, Magnum, Hart, aber herzlich) oder eine konservativ-biedere "Moral von der Geschicht" (Ein Engel auf Erden, Walker, Texas Ranger, Kung Fu). Ende.

Ich frag mich ernsthaft, was mich oder sonst irgendwen an diesen Serien fasziniert haben mag.
Ausgefeilte Stories, glaubwürdige Charaktere oder atemberaubende Tricks können es jedenfalls nicht gewesen sein. Von ein paar Schauwerten (Jody Banks, Mister T und MacGyvers Knoff-Hoff-Show) abgesehen, waren die Serien meist einfach nur Mumpitz, denen man aus heutiger Sicht allenfalls als Halbwüchsiger etwas abgewinnen kann.

Aber wie es immer so ist mit "Kult" von früher. Durch die rosarote Nostalgie-Brille bekommt vieles, mit dem wir aufgewachsen sind, eine sanft-goldene Patina. Setzt man sie ab und schaut genauer hin, verwandeln sich die Nuggets wieder in Rosinen.

Keine Kommentare: