Mittwoch, 27. Juni 2018

Voice over IQ

Geht es euch eigentlich auch manchmal so, dass ihr euch bei Stimmen im Radio oder am Telefon vorstellt, wie die Person wohl aussieht?

Mir jedenfalls geht es so.Und ich bin dann jedes Mal platt, wenn ich die Leute zu Gesicht bekomme.

Meine erste Begegnung in dieser Beziehung hatte ich mit Otto. Als ich so ein Dreikäsehoch war, lief  Otto hauptsächlich im Radio, auf NDR2. Gesehen hatte ich Otto damals nie, und so stellte ich mir den kleinen Ostfriesen - warum auch immer - als großen Typen mit rabenschwarzem Haar vor. Weiß der Kuckuck, warum.
Als ich Otto dann irgendwann im Fernsehen sah, konnte ich den blonden Typen mit meiner Vorstellung von ihm überhaupt nicht in Einklang bringen. Für mein halbwüchsiges Selbst war dieser "reality check" ein regelrechter Schock.
Noch heute, wenn ich mir nur Ottos Stimme vorstelle, sehe ich vor meinem geistigen Auge eine  dunkelhaarige Bohnenstange über die Bühne huschen.

So ähnlich ging es mir einige Jahre später mit Thomas Koschwitz, meinem absoluten hr3-Lieblingsmoderator. Ich weiß zwar nicht mehr, wie ich ihn mir damals vorgestellt habe, aber jedenfalls nicht als den kleinen Glatzkopf, als der er dann Anfang der 90er Jahre im TV auftauchte.

Aktuell ist mir beim Radiohören aufgefallen, dass weibliche Moderatoren meistens unbestimmt jung klingende, aber tieftönende Stimmen haben. Oft mit so einem leichten Schnurren oder Raunen in der Stimme, das immer ein wenig rattig klingt. Da schwingt dann immer so eine latente Paarungsbereitschaft mit. Wohl um die Fantasien männlicher Hörer anzuheizen. Ob die wohl danach gecastet werden?
Moderatoren des andern Geschlechts klingen dafür entweder bärig (meist im Nachtprogramm) oder irgendwie knarzig-nasal, mit einem hörbaren Dauergrinsen. Das sind dann meist die penetranten Spaßvögel mit einer gewissen Coolness.

Wenn man die dann in natura sieht, wundert man sich jedes Mal, was das in echt für Schießbudenfiguren sind. Und man versteht, warum die es trotz souveräner Moderationsleistung nie ins Fernsehen schaffen werden.


Möchte mal wissen, woher das kommt, dass man  schöne Stimmen und sympathische Sprecher immer auch irgendwie mit gutem Aussehen assoziiert. Spätestens mit der Kommerzialisierung des Pop und dem Sprung der Musik vom Radio ins Fernsehen werden häßliche Sänger weitestgehend versenkt oder verschleiert nach dem Milli Vanilli-Prinzip.
Einzig Rocksänger dürfen ab und an auch mal häßlich sein. Freddie Mercury war charismatisch, aber hatte Zähne wie ein Haflinger. James Hetfield sah als junger Mann aus wie ein Bund Wurzeln mit Augen. Und Lemmy? Eine einzige, in Whisky eingelegte, riesige Rosine mit Haaren. Gut so, sag ich da nur. Denn am Ende kommt es ja doch auf die Stimme an, Vermarktbarkeit hin, Grinsefresse her.

Irgendwie fällt mir bei dem Thema auch ABBA ein. Als Dreikäsehoch war ich unsterblich in Agneta verliebt. Und ich war aus irgendeinem Grund davon überzeugt, dass zu Anfang statt Frida noch eine andere Sängerin in der Band gewesen war (die von dem anderen "A" - ich wußte damals nicht, dass Frida eigentlich Anni-Frid hieß), welche aber von der immer etwas ernster und weniger engelsgleich dreinschauenden Frida aus der Band geekelt worden war. Fragt mich nicht, warum, vermutlich war die Verwechslung Anni-Frids wechselnden Looks und Haarfarben geschuldet. Auf jeden Fall hasste ich Anni-Frid mit kindlicher Inbrunst, weil ich glaubte, sie würde auch die liebliche Agneta aus der Band ekeln wollen. Was man sich halt so ausmalt als Kind. Und natürlich legte auch Anni-Frids Mezzosopran neben der glockenhellen Stimme Agnetas Zeugnis ihrer dunklen Absichten ab.

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