Juppijey. Wir sind im Finale.
Ich freu mich. Obwohl mir ja der sonstige Fußball an der regio glutealis vorbeigeht. Aber wie das bei mir so ist: Ich freu mich mehr so innerlich. Ich mal mir keine Fahne ins Gesicht. Ich fahr nicht nächtelang hupend durch die Stadt. Ich schmeiße keine Blitzknaller vom Balkon. Aber ich freu mich trotzdem. Nur eben etwas heimlicher als der Rest. Braucht ja auch keiner zu merken. Geht ja keinen was an, daß ich mich freue.
Während ich heute also nach dem Spiel mit U-Bahn nach Hause gefahren bin, tobten, tröteten und grölten um mich rum lauter reichlich angeschickerte Deutsche oder solche, die es heute gern gewesen wären. Mir aber scheint da irgendwie das gewisse Nationalstolz-Gen zu fehlen. Aus irgendeinem Grund gibt es mir einfach kein gutes Gefühl, wenn neben mir biergeschwängerte Fans aus vollen Hals "Doitschlaaahand!" grölen. Für meine Geschmack hat das zu oft einen aggressiven Unterton, dieses "Deutschland!" klingt in meinen Ohren dann oft so, als würde der jeweilige Fan gleich mit "..., Deutschland, über alles!" weitermachen. Vielleicht bin ich da ein bißchen überempfindlich. Ich halte Nationalismus eben generell für ungesund.
Für mich hat die deutsche Mannschaft ein wichtiges Spiel gewonnen, mehr nicht. Da darf man gern auf die deutsche Mannschaft stolz sein, aber wieso man dann gleich auf ganz Deutschland im Sinne von "Volk" oder "Vaterland" o.ä. stolz sein soll, kapier ich nicht. Was haben die restlichen 82.243.989 Deutschen denn geleistet, auf das man so irrsinnig stolz sein müßte, während sich unsere Fußballmannschaft da wirklich einen abgestrampelt hat? Mir fehlt da irgendwie der Zugang.
Vielleicht liegt's ja auch einfach nur an mir, und ich bin in meiner spaßbremserischen Verklemmtheit noch viel deutscher als der Rest. Was waren doch alle nach der letzten WM froh, daß endlich auch die Deutschen mal ihre Steifheit abgeschüttelt hatten und mal genauso locker und fähnchenschwenkend abgefeiert haben wie all die andern Fanvölkchen, die wir bis dahin immer nur verschämt um ihren unbeschwert-fröhlichen Nationalstolz beneidet hatten. Trotzdem ist bei mir das Gefühl geblieben, daß "die andern" sich immer primär für ihre Mannschaften freuen und auf diese stolz sind, während für uns die deutsche Mannschaft immer stellvertretend für das ganze Volk zu spielen scheint. Wir Deutschen feiern nicht nur unsere Spieler, sondern primär uns selbst. Für uns spielen nicht zwei Mannschaften gegeneinander, sondern die "Deutschen" gegen die "Türken"o.ä. Warum das so ist? Keine Ahnung.
Wenn es Dinge wie die Nazizeit geht, erklärt man heutzutage gern, daß man sich nicht länger fremdschämen wolle für etwas, daß andere Leute zu anderer Zeit getan haben. Wenn's ums Fremdfreuen geht, z B für Fußbälle, die wir nicht selbst in fremde Tore getreten haben, sind wir weniger empfindlich. Das Mantra: Wenn der Oppa bei der SS auf Juden geschossen hat, geht mich das heut nix mehr an, was kann ich schließlich für seine Sünden? Aber wenn der Oppa bei der WM auf Tore geschossen hat, dann bin ich kackstolz, was für ein Deutscher, mit allem Drum-und-dran, Windhund, Kruppstahl und so weiter!
Vielleicht lege ich auch hier zu viel Wert auf semantische Feinheiten, alles ist nur halb so wild und im Ausland klingt's umgekehrt genau so. Aber das komische Gefühl bleibt, und Euphorie will sich nicht einstellen. Gegebenenfalls braucht es ja noch ein paar WMs, EMs, WWs und was weiß ich noch, um aus mir einen "richtigen Deutschen" zu machen. Ich bleibe dran.
Bis dahin: Güle güle, arkadaslar
Donnerstag, 26. Juni 2008
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