Donnerstag, 1. Juli 2010

Lone Wulff

Ich weiß schon: Einige „Gumpfen“-Leser schätzen es irgendwie nicht so, wenn ich zu sehr ins Politische abdrifte. Zugegeben: Lustige Beiträge über besemmelte Großstädter sind natürlich massenkompatibler und leichter verdaulich.
Aber manchmal kann ich es einfach nicht mehr halten, dann werde ich meinungspolitisch inkontinent und muß mir den Frust von den Seele schreiben.

Die heutige Wahl des Bundespräsidenten ist mal wieder so ein Fall.

Auch wenn immer wieder betont wird, wie wenig so ein BuPräs eigentlich zu sagen hat – es ist noch immer das höchste Amt im Staate. Und vor allem: Es ist eines mit Außenwirkung. Eigentlich ist ein Bundespräsident für Deutschland dasselbe, was der Melitta-Mann für Filtertüten ist. Einer, der nett lächelt, sein Produkt anpreist und ab und zu mal kritisch guckt, wenn der Kaffee mal nicht so schmeckt, wie er schmecken soll, nur weil irgendein Regierungspraktikant sich die Aromaporen nicht richtig gewaschen hat.
Aber Spaß beiseite: Immerhin hat der Mann (oder die Frau) die Macht, das Parlament aufzulösen und Gesetzentwürfe zurückzuweisen, darf in einem Schloß wohnen und genießt strafrechtliche Immunität. Wer kann das sonst schon von sich behaupten?

Gerade darum war die heutige Wahl eine peinliche Farce. Statt wie vorgesehen einen politisch neutralen Volksrepräsentanten haben wir nun einen hölzernen CDU-Parteisoldaten der ersten Stunde, stramm christlich, Befürworter von Kernenergie und Träger des „Big Brother Awards“. Genau das, was Deutschland braucht.

Noch peinlicher aber, daß Kanzlerin und Co. bei einer freien und geheimen Wahl, bei der die Teilnehmenden (wie eigentlich bei jeder Wahl) nur ihrem Gewissen nach abstimmen sollten, die Teilnehmer auf unangemessene Art und Weise zu beeinflussen suchten, indem sie von ihnen Parteidisziplin einforderten. Parteiräson über Gewissen - das kann man machen, wenn man gemeinsam Pizza bestellt, aber nicht bei der Wahl zum höchsten Staatsamt.

Und noch viel peinlicher für den Kanzlerinnen-Klüngel, daß diese Einmischung bei vielen zu Recht auf taube Ohren stieß. Gerade mal die Hälfte aller möglichen Stimmen, und das auch erst im dritten Wahlgang – sieht so das Wahlergebnis eines Repräsentanten des gesamten deutschen Volkes aus? Ich glaube nicht. Wenn der Mann Rückgrat hätte, würde er heute noch zurücktreten. Aber Merkel hält sich ja auch für die Kanzlerin aller Deutschen, obwohl drei Viertel davon sie gar nicht gewählt haben. Somit kann man sich ja in trauter Nicht-Repräsentanz gegenseitig auf die Schultern klopfen.

Natürlich weiß ich nicht, ob Gauck nun die bessere Wahl gewesen wäre. Aber wenn diejenigen, die heute zur Urne geschritten sind, wirklich auf die Stimme des Volkes gehört hätten, hätten sie – allen Umfragen folgend und stellvertretend für das Volk – vermutlich Gauck wählen müssen.

Von Salvador de Madariaga stammt das Zitat "Das Gewissen hindert uns nicht, Sünden zu begehen. Aber es hindert uns, die Sünden zu genießen." Oder simpler: "Ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen".

In diesem Sinne: Eine Gute Nacht, liebe Parlamentarier.

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