Alle Leser (oder heißt das jetzt auch schon „follower“), die regelmäßig dieses Blog verfolgen, werden sich gefragt haben, wieso dieses Mal das alljährliche Wiesn-Bashing ausgeblieben ist.
Aber soll ich euch was sagen: Heuer (boarisch für: diesmal oder „in diesem Jahr“) ist die Wiesn gar nicht so schlimm gewesen wie die Jahre zuvor. So zumindest mein subjektiver Eindruck. Könnte auch daran liegen, daß ich mir alle Mühe gegeben habe, die Berührungspunkte mit dem Wiesn-Areal und seinen Besuchern so gering wie möglich zu halten.
Sicher: Es gab die üblichen Bierleichen, die rotgesichtig und aufgedunsen die Straßenränder entlang strunkelten oder daselbst ihre diversen Räusche ausschliefen, mit geschmacklosen Filzhüten die Spätsommersonne nur notdürftig abschirmend. Es gab das ein oder andere Häufchen Halbverdautes auf Gehwegen, Bahnsteigen und in öffentlichen Verkehrsmitteln und die Uringestank umflorten Ecken der S-Bahn-Stationen. Pissness as usual, sozusagen.
Aber irgendwie schienen die erwähnten negativen Ausprägungen in diesem Jahr um einiges weniger in Erscheinung zu treten. Auch von den notorischen Hopfen-Enthusiasten aus down under schienen in diesem Jahr weniger in der Stadt zu sein. Tatsächlich wundert es mich, daß nach dem Ende der diesjährigen Wiesn die Statistiker erneut neue Konsumrekorde vermelden konnten. Ich hätte gewettet, daß das diesjährige Oktoberfest nicht so gut besucht war wie in den Vorjahren.
Nicht, daß ich persönlich dem Oktoberfest trotzdem viel abgewinnen könnte. Fahrgeschäfte reizen allerhöchstens meinen Magen. Davon abgesehen, erschließt sich mir der Reiz, mit drei Maß und einer Schweinshaxe im Bauch in einen überdimensionalen Mixer zu steigen und mir im Verein mit anderen Folteropfern fünf Minuten lang den Gleichgewichtssinn pulverisieren zu lassen, überhaupt nicht. Um meinen Adrenalinspiegel zu pushen, reicht mir eigentlich ein Blick auf die jeweils letzte Regierungserklärung. Der ist dann sogar gratis.
Bier und bayrisches „Soul food“ wie Hendl und Haxn kann ich in jedem Biergarten gemütlicher und preisgünstiger zu mir nehmen als bei der Massenbetankung auf der Wiesn. Verglichen mit einem Abend im Bierzelt muß die biblische Speisung der Fünftausend geradezu ein intimes Dinner bei Kerzenschein gewesen sein.
Und Volksfest-Atmosphäre? My ass. Aus der Wiesn wird kein Volksfest mehr, da können sich noch so viele Italiener auf das eigens angeschaffte Trachtenbeinkleid aus Dackelleder Made in Taiwan kotzen. Die Wiesn ist ein Massen-Touristen-Event, eine Geldmaschine, die mit der ursprünglichen Volksbespaßung nur noch den Namen gemein hat. Und vielleicht die „Brot und Spiele“-Philosophie.
Nur auf der neu geschaffenen „Oidn Wiesn“ soll dem Besucher verklickert werden, wie das Oktoberfest ohne DJ Ötzi, ohne zugedröhnte Teenager und ohne das Fahrgeschäft-Disco-Gedudel aussehen könnte. Die drei Euro Eintritt halten tatsächlich die meisten Teenies davon ab, sich auf das vergleichsweise betuliche Areal zu wagen. Wobei ich nicht genau sagen kann, was sie dann mit dem gesparten Geld machen, für drei Euro kann man gerade mal zwei Runden ums Bierzelt laufen.
Stattdessen muß man auf der "Oidn Wiesn" den Anblick unzähliger Hardcore-Trachtler ertragen, deren steinalte Lederhosen bei jeder Bewegung anheimelnd knistern und die vermutlich aus der Haut der letzten Mammuts hergestellt worden sind. Diese urinsteinausgekleideten Ungetüme dürften auch noch einem Beschuß mit schwerer Artillerie standhalten. Man munkelt, daß in einem dieser Krachledertangas die Zahnabdrücke eines Säbelzahntigers gefunden worden sind, nebst einigen Pfeilspitzen aus der Zeit Richard Löwenherz‘.
Wiewohl diese Artefakte unter Folklore-Enthusiasten ein kleines Vermögen wert sind, würde ich mich schwer hüten, eines anzuziehen. Nicht auszudenken, welche exotischen Krankheitskeime aus dem Zeitalter der Pharaonen wohl in den Falten dieser Hosen die Jahrhunderte überdauert haben mögen.
Wie auch immer: Der Spuk ist vorbei, der Zirkus ist weitergezogen.
Bis zum nächsten Jahr...
Samstag, 8. Oktober 2011
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