Donnerstag, 9. Januar 2014

(P)ostalgie

Immer, wenn ich Sehnsucht nach der alten DDR habe (also der vor '89), dann begebe ich mich an einen Ort, an dem ich Zustände vorfinde "wie früher".

Die Rede ist von meiner (neuen) Post-Filiale. (Die alte war auch schon supi, aber die neue kann ihr locker das Wasser reichen.)

Wann immer ich dort vorstellig werde bzw. werden muß, weil der Paketbote mal wieder zu bequem oder zu unterbezahlt war, um Treppen zu steigen, kann ich dort mal wieder so richtig Schlange stehen. Und zwar bis raus auf die Strasse. Und auch garantiert JEDES MAL, egal zu welcher Uhrzeit man kommt. Ich muss dann nur noch die Augen schließen und mir vorstellen, es wäre 1980, ich stünde vorm Konsum und es wäre gerade eine Lieferung grasgrüne, furztrockene Cuba-Orangen eingetroffen.
Mal ehrlich: Wo kriegt man das denn heute noch geboten? Mal so richtig lange Schlange stehen? Wie so eine schockgefrostete Polonaise?

Überall sonst eilen aus irgendwelchen Katakomben übereifrige Servicekräfte herbei, sobald auch nur mehr als vier Kunden hintereinander stehen. Und falls das doch mal nicht sofort passiert, muss nur irgendein Rentner "Dritte Kasse!" krächzen, und schwupp! - materialisiert sich irgendein dienstbarer Geist vor den Augen der Wartenden. Ich hatte schon beinah den Glauben an die "Servicewüste Deutschland" verloren, bevor ich sie bei der Post wiederentdeckte, wo man sie nährt und hegt wie ein verlassenes Seehundbaby.

Es hat auch immer wieder etwas Kontemplatives, wenn man den Postbediensteten dabei zuschaut, wie sie sich durch keine noch so lange Schlange und keinen aufgebrachten Kunden aus der Ruhe bringen lassen. Zum Beispiel heute, als auch ich mir wieder einmal eine Dosis Entschleunigung abholen durfte. Wenn man dann beobachten darf, wie eine der Mitarbeiterinnen in aller Seelenruhe auf Puschen durch die Abteilung schlurft, während Dutzende schwitzender, übel gelaunter Wartender sie mit Argusaugen beobachten und sichtlich in Gedanken verschiedene Lynch-Szenarien durchgehen: Das hat schon was von Todesverachtung. Und Chuzpe.
Ob die das irgendwie trainieren?

Interessant fand ich auch, wie eine andere Mitarbeiterin einem zugegebenermaßen etwas bräsigen Kunden erklärte, dass sie ja gar nicht bei der Post angestellt sei, sondern bei der Postbank, und daher für sein Problem mit der Packstation gar nicht zuständig wäre. Auch mit DHL und so hätte sie eigentlich gar nichts zu tun. Und das, obwohl direkt über ihrem Kopf die Logos von Postbank, Post und DHL in trauter Dreifaltigkeit nebeneinander prangten. Bei dieser Aussage blieb sie dann auch eisern. Nichts hätte sie dazu bewegen können, auch nur einen Schritt auf ihr Opfer zuzugehen. Herrlich, wie Figuren aus einem Karl-Valentin-Sketch.

Und auch die Kniffe, mit denen man einen angesäuerten Kunden nochmal einen Meter weiter die Palme rauftreibt, beherrschte die Dame gekonnt. Was sie unter Beweis stellte, in dem sie sich mit dem nächsten Kunden über die heraustrabende Wanninger-Dublette lustig machte.

Beinah wäre auch ich in den Genuß königlich-bayrischer Beamtenlogik gekommen. Als ich endlich an der Reihe war, erklärte mir der mir zugewiesene Postoberamtssekretär mit skeptisch gefurchter Stirn, dass auf meinem Paketabholschein zwar "Abholbar ab nächsten Werktag, 14:00 Uhr" stünde. Tatsächlich bedeute dies aber, dass das Paket erfahrungsgemäß erst nach 17:00 einträfe. Er glaube ja nicht, dass das Paket da sei.
War es dann aber doch. Hat dem Mann vielleicht einen Besuch beim Zahnarzt erspart.

Jetzt mal ohne Flachs: Mann, ej! Post! Oder Postbank, oder wie auch immer euer Haufen sich nun schimpft! Die Post war mal eine deutsche Institution, mit stolzen Mitarbeitern, für die es sogar ein eigenes Ministerium gab, jeweils in Ost und West. "Schnell wie die Post" war mal ein Synonym für Effizienz.
Und jetzt? Was für ein trauriger Haufen!

Wenn eure unterbezahlten Paketzusteller schon nicht mehr das machen, wofür man eigentlich Porto zahlt, nämlich Pakete zustellen, dann stockt wenigstens euer Personal auf. Oder baut mehr Packstationen. Die allermeisten Münchner sind berufstätig, was glaubt ihr eigentlich, wer Zeit hat, sich tagsüber stundenlang die Beine in den Bauch zu stehen, um seine Post abzuholen? Damit einem dann am Ende noch so eine arrogante Trantüte erzählt, man müsse morgen nochmal wiederkommen? Oder soll man sich zukünftig drei Tage Urlaub nehmen, nur weil man auf ein Paket wartet und den DHL-Menschen nicht verpassen will?

Wenn ich mir dann noch vorstelle, ich wär ein gehbehinderter Rentner, der sich stundenlang anstellen muss, um dann den schweren neuen Staubsauger, der eigentlich hätte geliefert werden sollen, irgendwie nach Hause in den dritten Stock karren zu müssen... dann könnte man dann schon Gewaltfantasien entwickeln.

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