Sorry Leute, euch fehlt Star Trek.
Der Michel ist mit der Vision Gene Roddenberrys von einer besseren Welt aufgewachsen.
"Star Trek - Next Generation" entwarf eine Zukunftsvision, in der die Menschheit ihre Erbsünden erkannt und hinter sich gelassen hatte. Krieg, Kapitalismus, Intoleranz, Diskriminierung, Geld - alles Schnee von gestern. Die ganze Show durchzog ein tief empfundener Humanismus, Hoffnung und der Glaube an die Lernfähigkeit der Menschheit hin zum (moralisch) Besseren.
Ich habe STNG geliebt. Möglicherweise ist die Serie eine der Ursachen für meine humanistische, optimistische Grundhaltung.
STNG war nie nur Science Fiction. Der Reiz der Serie lag in der Auseinandersetzung der Menschheit mit ihren Schwächen und deren Überwindung. Das Science Fiction - Schischi drumrum war eigentlich nur das Vehikel für großartige Geschichten über alle Facetten von Menschlichkeit. Damit vermittelte STNG eine hoffnungsvolle Vision einer Zukunft ohne Armut, Krieg, Neid und Intoleranz und einer Menschheit, die auf Kooperation, Toleranz, Wissenschaft und vor allem Hoffnung setzt. Dabei war Star Trek nie so naiv zu behaupten, der Mensch wäre perfekt. Die Grundprämisse war stattdessen "ja, wir haben Schwächen, aber wir arbeiten daran". Das macht STNG bereits in der Pilotfolge klar, in der der Captain stellvertretend für die Menschheit für deren Sünden vor Gericht gestellt wird.
Die Kids von heute haben nichts dergleichen. Die Serien der Neuzeit sind entweder Dystopien voller Zombies, Seuchen und Superhelden auf Crystal Meth oder Drama-Kaskaden nach dem Vorbild von "Breaking Bad", voller gebrochener Charaktere, die sich einerseits für ihre Familien aufopfern, dabei andererseits notfalls auch nicht vor Lügen, Mord und Totschlag zurückschrecken. Und am Schluß steht oft kein Happy End, sondern "alle tot". Eine positive, versöhnliche Vision für die Zukunft entwirft allenfalls noch "Ted Lasso". (Schmonzes a la Arztserie, Bergdoktor und Navy CIS lasse ich mal außen vor, von wegen Zielgruppe usw.)
Dasselbe gilt für unsere Parteien- und Medienlandschaft. Da ist echt keine Instanz, die eine positive Vision einer Zukunft entwirft, hinter der sich ein gut Teil der Gesellschaft versammeln könnte nach dem Motto "Das klingt gut, das könnten wir schaffen, so wollen wir sein, lass uns das mal machen". Die einzige Partei, die aktuell so etwas wie Hoffnung für ein besseres Morgen verbreitet, sind (ja, tatsächlich) die Grünen. Leider haben die Grünen aber a) schlechtes Timing und b) sind kommunikativ echt eher suboptimal. Ihre Vision lautet "wenn wir jetzt alle Entbehrungen hinnehmen, Opfer bringen, Gürtel enger schnallen und die Arschbacken zusammenkneifen, dann, aber nur dann könnten wir es schaffen, dass die Zukunft nicht ganz so scheiße wird".
Mitreißend geht anders. Eine Gesellschaft, die es sich so in ihrem relativen Wohlstand bequem gemacht hat, bekommt man damit nicht auf seine Seite.
Der Rest der Parteienlandschaft ist aber NOCH schlimmer. Laut AfD und BSW geht Deutschland morgen den Bach runter. Auch laut CDU ist morgen Apokalypse, außer alle wählen ganz bald CDU. In dem Fall drehen wir die Uhren 50 Jahre zurück, und alles wird gut. Währenddessen fabulieren FDP und SPD bei Wählerstimmen im einstelligen Prozent-Bereich einen von "Volkspartei" und dass ohne sie in der Regierung ebenfalls alles verloren ist. Der Wähler hat also beim Gang an die Urne lediglich die Wahl, welches apokalyptische Szenario ihm mehr zusagt.
Trotzdem ist es mir ein Rätsel, warum man Parteien wählt, die keinerlei positive Zukunftsperspektive bieten. Glaubt hier wirklich jemand, weil AfD gewählt wird, fährt auch nur ein Bus mehr auf dem flachen Land? Gibt es mehr Ärzte in Outback? Mehr Arbeitsplätze, mehr Geld im Portmonnaie, mehr Zufriedenheit?
Im Gegenteil. Die Angst vor Fremdenfeindlichkeit wird die polnischen Erntehelfer in andere Bundesländer treiben. Ärzte aus dem Ostblock werden weiterziehen an Orte, wo sie keine Angst haben müssen, dass ihre Kinder auf dem Schulhof angepöbelt werden. Und der Busfahrer mit ukrainischem Pass, der soeben noch die letzten thüringer Dörfer abgefahren hat, zieht lieber woanders hin, wo die Leute ihn nicht scheel von der Seite anschauen. Von den polnischen Altenpflegerinnen, rumänischen Putzhilfen und kurdischen Dönerverkäufern gar nicht zu reden.
Trotzdem wählt der Osten aktuell Faschisten und applaudiert dami einer Partei, die von sich selbst sagt "wenn es Deutschland schlecht geht, geht es uns gut". So wählen und sich gleichzeitig für einen Patrioten halten ist absurd.
Wenn man aktuell Interviews mit Wählern aus dem Osten zum Thema AfD sieht, mäandern die Aussagen zwischen "sollen die mal zeigen, was sie können" und "ich glaube nicht, dass das Nazis sind".
Sorry, aber wer die nazigescheitelten, Hitlerbärtchen tragenden Hetzredner und -rednerinnen für harmlose, wohlmeinende Menschenfreunde und Demokraten hält, der glaubt auch, Trump wäre ein großer Staatsmann und begnadeter Unternehmer. Und was Rechte so können, kann man sich überall dort anschauen, wo sie politische Verantwortung tragen. Zusammengefasst: Nichts.
Was sie wollen, kann man sich dafür in all den Staaten anschauen, wo Nazis oder Ultrarechte regieren, das "Playbook" ist fast immer dasselbe. Kritische, öffentliche Medien verbieten, behindern und schleifen. Den Staatsapparat umbauen und wichtige Ämter mit Sympathisanten besetzen. Geheimdienste zum Ausspähen politischer Gegner nutzen. Die Kunstfreiheit einschränken. Und schließlich die Justiz im eigenen Sinne umbauen, damit man ungehindert schalten und walten kann, wie man lustig ist. Und natürlich sich auf Staatskosten die Taschen vollmachen. Währenddessen spielt man der Bevölkerung patriotisches Kasperle-Theater vor, während man nach und nach Bürgerrechte schleift.
Mit anderen Worten: Wenn Rechte in Verantwortung kommen, machen sie genau das, was sie bis dahin allen anderen Parteien vorgeworfen haben. Und nichts davon kommt dem "kleinen Mann" zu gute, der sie gewählt hat.
Kann jeder sehen, der Augen hat und mehr als 3 Gehirnzellen. Aber viele entscheiden sich lieber dafür, all das zu leugnen und versammeln sich stattdessen hinter einer Partei, die ihnen nichts bietet als die Spiegelung der eigenen, pessimistisch-defätistischen Weltsicht. Man könnte es fast als eine Art Amoklauf an der Wahlurne bezeichnen: In Kauf zu nehmen, dass einem selbst aus der eigenen Wahlentscheidung nichts Gutes erwächst, solange man nur andere ebenfalls damit schädigen kann. Selbstmordattentäter beabsichtigen ähnliches.
Wie wird man so? Wieso haben scheinbar vor allem Deutsche Lust darauf, in Weltuntergangsszenarien zu schwelgen, Verschwörungstheorien zu glauben und dabei notorisch immer das Schwärzeste zu sehen? Wir brausen in fetten SUVs durch die Gegend, fressen Erdbeeren im Winter, machen Urlaub in ägyptischen 5 Sterne All Inclusive Hotels und jammern trotzdem, wie schlecht es uns geht. Wir leben in einem der sichersten, reichsten Länder der Welt mit bürgerlichen und gesellschaftlichen Freiheiten, von denen Milliarden Menschen nur träumen können, und trotzdem sind unsere Gläser immer halb leer.
Ich möchte Star Trek wieder haben. Ich möchte für die heutige Jugend die Föderation der Planeten als Vorbild. Irgendwas, was einem Hoffnung gibt. Keine FDP-Ferengis, keine CDU-Klingonen und keine AfD-Borg.
Picard statt Höcke. Mein Motto ab sofort.