Sonntag, 7. Juni 2009

Quo vadis, Deutschland?

Auch wenn mein Urlaub offiziell erst morgen endet, muß ich mich aus aktuellem Anlaß doch heute noch melden.
Denn der Michel war heute wählen. Nachdem sogar politische Schwergewichte wie Olli Pocher für die Europawahl geworben haben, konnte ich mich meiner kosmopolitischen Pflicht nicht entziehen.
Nun halte ich mich ja schon für einen politisch einigermaßen interessierten und informierten Menschen, aber wer da so alles auf dem Wahlzettel stand, hat mich dann doch kalt erwischt. Nicht nur, daß das Ding länger war als eine durchschnittliche Einkaufsquittung nach einem verkaufsoffenen Sonntag bei IKEA, aber wer bitte sind denn z.B. die "PIRATEN"?
Nun ja, jetzt bin ich schlauer. Genau genommen hätte ich ausgerechnet die sogar kennen müssen, kämpfen sie doch für die Freiheit des Internets. Aber besser spät als nie.
Lustige Wahlplakate gab es auch wieder zuhauf, obwohl die "Kauf mich!"-Grinsevisagen so mancher Kandidaten eher an optische Umweltverschmutzung grenzen. Versteh einer die Wahlkampfmanager, aber wenn ich die Wahl hätte, entweder einen Kandidaten, der aussieht wie ein menschlicher Leberkäs mit Haaren, oder ein mundgemaltes CSU-Logo auf ein Plakat zu setzen, dann würde ich zu letzterem raten.

Am weitesten hat sich aber diesmal die PBC aus dem Fenster gelehnt. Während "Ohne Gott geht alles kaputt - Jesus macht alles neu!" eher nach einer Werbung für einen Hausmeisterservice klingt, ist "Jesus: "Ich komme bald!"" an bedrohlicher Schmissigkeit kaum zu überbieten. Allerdings: Auch wenn die PBC ihre Informationen offenbar aus ganz heißen Quellen bezieht, wieso sollte ich noch wählen gehen, wenn die Apokalypse offenbar schon vor der Tür steht?


























Nun ist die Wahl gelaufen, und ich versteh die Welt nicht mehr. Schwesterwelles FDP hat fett zugelegt. Die CDU hat die meisten Stimmen bekommen.

KANN MIR DAS BITTE MAL JEMAND ERKLÄREN?

Ausgerechnet die FDP, traditionell das Sprachrohr der New Economy-Wirtschaftsliberalen-Blase, auf deren Konto die größte Wirtschaftskrise der Bundesrepublik geht? Die jahrelang die Nichteinmischung des Staates in den Markt gepredigt hat und nach einem fulminanten U-Turn nun genau dies willkommen heißt? Was bitte haben die denn in letzter Zeit Tolles geleistet?

Ich weiß es: Mindestens genauso viel wie die CDU, oder, wie Hans-Ulrich Jörges im Stern Nr 20 treffend formulierte, "der Kanzlerinnen-Wahlverein".
Nicht, daß die anderen Parteien sich in letzter Zeit mit etwas anderem außer Wahlgeschenken hervor getan hätten, aber welche führenden, charismatischen Köpfe hat die CDU denn zu bieten? Scheinbar hat die ewige Trauerweide "Mörkel" (frei nach GWBush) den anderen zarten Parteipflänzchen das Licht geraubt, denn viel ist in ihrem Schatten nicht gediehen. Dafür hat die manchmal noch immer unbeholfen wirkende Ziehtochter Kohls eine erstaunliche Metamorphose zur Volkskanzlerin durchgemacht. Und ihr Rezept ist denkbar einfach: Sie vertritt immer genau die Politik, die die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet. Dafür macht sie sich je nach Stimmungslage auch mal Standpunkte des politischen Gegners zu eigen, allerdings stets ohne sich auf etwas allzu konkretes festzulegen. Offenbar will das häßliche Entlein nach Jahren des Spotts endlich mal von allen geliebt werden. Und das hat sie auch geschafft. Nicht gerade durch stringente und integre Politik, nicht durch Phantasie oder Leidenschaft, sondern durchs Mehrheiten fischen. Das mit dem Fischen hat sie offenbar einst in ihrem ersten Wahlkreis Rügen gelernt.
Das letzte Mal, daß sie einen offensichtlich nicht mehrheitsfähigen und damit wohl eigenen Standpunkt vertreten hat, war, als sie sich als Oppositionsführerin auf den Weg nach Washington gemacht hat. Ich erinnere immer wieder gern daran, wie sie dort vor George W. einen Kotau gemacht hat und für die mehrheitlich Irakkriegs-feindliche Haltung der Deutschen ungefragt um Verzeihung gebeten hat. Das fanden damals viele Deutsche so derartig zum Brechen, daß sie solche Fettnäpfchen heute weitgehend vermeidet und dabei schon mal ein erstaunlich biegsames Rückgrat unter Beweis stellt.

Und wie man am heutigen Ergebnis sehen kann, kann sie sich auf die Richtigkeit des Sprichworts verlassen: Des Wählers Gedächtnis ist wahrlich kurz.

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