Dienstag, 1. September 2009

Zweites Standbein

Bei einer meiner Wanderungen durch das größte Dorf bin ich auf das Praxisschild einer Zahnärztin aufmerksam geworden. Auf selbigem prangte nämlich unter dem Namen der Doktoressa "Zahnärztin und Visagistin".

'Na', dachte ich, 'da hat sich die Gute aber vertan. Zahnbelag und Makeup - das paßt nicht zusammen. Die will potentiellen Patienten sicher nur verklickern, daß sie bei der Sanierung ihrer Kauleisten besonders auf ästhetische Aspekte Wert legt und zum Beispiel darauf achtet, daß die neue Zahnspange nicht aussieht wie ein überfahrener Hamsterkäfig.'

Da hab ich aber die Rechnung ohne den Einfallsreichtum der Zahnklempnerin gemacht. Denn ein Besuch ihrer Webseite www.zahnarzt-funk.de zeigte: Die Dame meint, was sie an der Tür stehen hat, und bietet tatsächlich eigenhändig Makeup an. Vermutlich in einem Anfall von Schickeria-Servilität hat die Frau Doktor nach ihrem Doktortitel auch noch die Ausbildung zur Visagistin absolviert. Wobei Ausbildung natürlich erstmal anspruchsvoll klingt. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich, daß das diplomgekrönte "Aufbaustudium" wohl gerade mal 3 Wochen gedauert hat. (Ein "richtige" Visagisten-Ausbildung setzt eigentlich eine komplette Friseurlehre voraus, aber das nur nebenbei.)
Muß aber ja noch nix heißen. Vielleicht kennt sich die Frau Doktor ja mit Poren sogar besser aus als mit bohren, wer weiß?

Ich weiß noch nicht so genau, wie ich diesen etwas seltsamen Service-Mix finden soll. Genialer Marktlückenfüller oder komplett bescheuerte Geschäftsidee á la "Botox to go", für eine vermeintliche Upper Class, die zum Schminken zum Zahnarzt geht? Verdient eine Zahnärztin heute wirklich so schlecht, daß sie einer herkömmlichen Schminkmeisterin die Kunden wegnehmen muß? Was kommt als nächstes? Muß ich damit rechnen, daß der Urologe demnächst auch fesche Intimfrisuren anbietet, wird mir mein Hausarzt nach dem nächsten Besuch gleich auch noch mein Auto waschen?

Die meisten Menschen sind wohl froh, wenn sie keine Zahnarztpraxis von innen sehen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Leute freiwillig länger dort bleiben, um sich nach erfolgter Wurzelbehandlung gleich noch die betäubte Visage neu kacheln zu lassen. Wer legt denn tatsächlich Wert darauf, daß sein Zahnarzt nicht nur Zähne, sondern auch Augenbrauen ausreißen kann? In der Realität ist es mir und meinem hohlen Zahn doch völlig egal, ob mein Dentalmechaniker nebenbei noch perfekt schminken, tapezieren oder Schuhe besohlen kann.

Oder nicht?

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