Sonntag, 29. November 2009

Nets and gadgets

Ich bin ein Neandertaler. Zumindest, was mein sogenanntes "Netzwerk" angeht.

Ich habe weder einen Facebook-, noch einen MySpace-Account. Ich war noch nie bei StudiVZ, habe noch nie getwittert und bin kein Lokalist. Ich war noch nie in einer Studentenverbindung, habe noch nie an einem Seminar für virales Marketing teilgenommen und besitze kein Blackberry.

Ich besitze lediglich ein Prepaid-Handy, dessen Nummer ich nicht auswendig weiß und mit dem man Hollywood-Filme weder abspielen noch drehen kann. Ich habe einen rudimentären Xing-Account, bei dem ich zweimal im Jahr die virtuellen Spinnweben wegputze. Das war's.

Ich bin ein Neandertaler. Denn ich besitze keinen Lifestyle-Fetisch. Nicht einen.

Dafür kenne ich nicht wenige Menschen, die ein halbes Dutzend Online-Profile pflegen wie andere Leute ihre Radieschen. Die nur unter der Voraussetzung ruhig schlafen können, daß all ihre Akkus geladen und all ihre Gadgets soweit up-to-date sind, daß sie notfalls auch vom Meeresgrund ihren Börsenticker zeitnah abrufen könnten. Die sich am liebsten einen UMTS-Hub in die Schläfe dübeln lassen würden, um auch ja sofort reagieren zu können, wenn das Million-Dollar-Angebot vom Microsoft-Headhunter bei ihnen eintrifft.* Diese Menschen müllen ihre Aktentaschen City-Bags mit ihren elektronischen Phallussymbolen zu, jederzeit bereit, diese Insignien des kurzlebigen Erfolgs hervorzuzaubern und mit denen der konkurrierenden Büroprimaten zu vergleichen.**

Vermutlich ist das wieder auf zutiefst maskulines Rollenverhalten aus den Katakomben unseres Genpools zurückzuführen. Trotzdem fände ich es irgendwie sympathischer, wenn einfach alle nur mit heruntergelassener Hose rumlaufen würden, anstatt sich mit der Zurschaustellung teurer Lifestyle-Insignien zu duellieren. Das wäre Zen, das wäre Büro-Tantra in Reinkultur. Wir hätten eine viel friedlichere Welt, glaubt es mir. So ein schrumpliger Dödel erreicht zwar nicht die kühle Eleganz eines matt glänzenden Designerhandys, aber wenigstens klingelt er nicht in unpassenden Augenblicken***, und man muß sich auch nicht jedes Jahr das neueste Modell kaufen, um mitreden zu können.

Sollte der ein oder andere Zeitgenosse tatsächlich schon soweit degeneriert sein, daß er mehr Spaß an seinem Handy als an seinem Wurmfortsatz hat, möge er sich doch bitte mal fragen, ob bei ihm nicht irgendetwas schief läuft im Leben.

Wenn man erstmal so weit ist zu zweifeln, hat man es fast geschafft. Die Intelligenteren unter den Lifestyle-Fetischisten schwören noch am Tag der Erkenntnis all ihrem Elektronik-Klimbim ab. Damit hätte man den Kern des Problems eigentlich schon beseitigt, aber die meisten können sich angesichts der Wucht der Erkenntnis, wie fehlgeleitet sie doch waren, nicht bremsen. Sie reißen sich die Boss-Hemden von der kalkigen Körpertapete und steigen aus. D.h., sie verkaufen ab sofort auf dem Wochenmarkt selbstgekochtes Mango-Chutney, begeben sich auf einen Drogentrip durch Mittelamerika oder "Cocoonen" einfach nur. Was bedeutet, daß sie sich dem heimischen Garten- und Nestbau verschreiben und sich so ein plüschiges Zuhause zurechthobeln, das es an geborgenheitsfühliger Kuscheligkeit mit jeder Gebärmutter aufnehmen kann. Back to the roots eben.

Jene Trendlemminge, die eben noch mit der Größe ihres persönlichen Netzwerks prahlten, beeilen sich plötzlich, sämtliche Fäden zu kappen, um fortan ein Leben im Funkloch zu führen, unerreichbar, aber glücklich.

Dann gibt es da noch die weniger Intelligenten. Die können zwar erkennen, daß sie zu Sklaven ihres Lebensstils und seiner Statussymbole geworden sind, meinen aber, diesen Zustand nur mit Hilfe von außen überwinden zu können. Was natürlich Blödsinn ist, aber erzähl das mal einem, dessen Erfahrungsschatz über das Leben "da draußen" auf dem beruht, was man bei Google und Wikipedia dazu findet. Also buchen sie bei irgendeiner Seminaragentur ein Anti-Stress-Weekend und üben dort Change-und-Release-Management im Spiritual-Power-Workshop****. New Age für die New Economy, sozusagen.

Am Ende kommen die Jungs (und Mädels - es lebe die Emanzipation) vielleicht auf den Trichter, daß sich individuelle Zufriedenheit doch nicht in der Anzahl von iPhone-Apps oder Xing-Kontakten messen läßt. Und daß sie trotz Mitgliedschaft in 20 verschiedenen Netz-Communities abends doch wieder allein vor ihrem Flatscreen-TV sitzen und sich bei den Sexy Sport-Clips im DSF einen von der Palme wedeln.


*) Was natürlich nie passiert.
**) Placebo-Schwanz-Vergleich, wenn man so will. Nur mit umgekehrten Vorzeichen. Denn hier punktet der, der den/die/das kleinste(n) hat.

***)Wenn doch, sollte man unbedingt mal einen Arzt aufsuchen.
****) Infolgedessen sieht man überall in Deutschland Informations-Junkies sich gegenseitig mit verbundenen Augen durch den Wald führen, in Hochseilgärten herumhangeln und am Lagerfeuer Stockbrot backen, um sich mal wieder "zu spüren". Das Ganze kostet dann 1000 Euro pro Nase, komplett mit Pfadfinder-Diplom und anschließendem 4-Gänge-Menü, und schon geht's wieder schnell ab nach Hause. Schließlich hat ja schon 48 Stunden lang niemand mehr die Emails gecheckt.

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