Mittwoch, 3. März 2010

Rad und Tat

Vor ungefähr zwei Monaten erspähte ich auf dem Weg zur Arbeit auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Fahrrad, das irgendjemand an dem dort befindlichen Zaun angeschlossen hatte. Soweit nichts ungewöhnliches, bis auf die Tatsache, daß sich in wesentlicher Laufdistanz zu diesem Rad keinerlei Ziel oder Grund befindet, der den Besitzer dazu bewogen haben mochte, sein Rad im Niemandsland stehen zu lassen. Aber: Kann passieren, die Menschen leiden mitunter unter seltsamen Motiven für ihre Handlungen.

Für die nächsten drei Wochen bewegte sich das Rad weder fremdbestimmt, noch von selbst von seinem Platz. Infolgedessen nahm ich an, daß der Besitzer nicht nur seinem Drahtesel, sondern auch Deutschland dauerhaft den Rücken gekehrt hatte und mittlerweile einen Moskitoverleih im Okawangodelta managte. Ich spielte vorsichtig mit dem Gedanken, was wohl passieren würde, käme ich auf die Idee, den Zaun von dem an ihm protestierend festgeketteten Rad zu befreien und selbiges mangels Interesses weiterer Mitbewerber in meinen Besitzstand zu überführen.

Allein, zwei Dinge hielten mich zurück. Erstens brauch ich kein Rad, denn in meinen Keller harrt bereits eine verstaubte Shimano-Stute ihrer Besteigung. Und zweitens hindern mich die mir anerzogenen moralischen Ketten an derlei Diebereien. Dieses sogenannte „Gewissen“ kann einem ganz schön den Tag versauen, wenn es darum z.B. geht, unsympathischen FDP-Ministern die verlorene Kreditkarte zurückzugeben, ohne wenigstens einmal in deren Namen bei Rent-A-Bitch einzukaufen.

Was soll ich sagen: Nachdem ich mehrere Wochen nicht mehr an das Radl gedacht hatte, fiel mein Blick heute mal wieder auf dessen, noch immer mit dem Zaun verbandelte Überreste.
Inzwischen hatte sich ein fürsorglicher Zeitgenosse des Sattels angenommen, das Vorderrad war ausgebaut und krummgetreten, und am Lenker hing eine Tüte Müll. Vermutlich wird der Schrotthaufen nun noch ein halbes Jahr vor sich hin wesen, bis irgendein Stadtwerke-Horst sich seiner annimmt und seiner Reinkarnation als Sandwich-Toaster zuführt.

Zunächst mal: Welcher cerebral Benachteiligte demontiert ein Vorderrad, nur um es anschließend in Brezelform zu kicken und liegen zu lassen? Und was ist wohl der anderen Flachzange durch den Kopf gegangen, als sie ihren Müll auf der Fahrradruine drapierte?

Welche Frage mich aber wirklich bewegt: Hätte ich, aus dem Blickwinkel des Werterhalts und des ökologischen Gewissens, mit dem frühzeitigen Diebstahl des Rades am Ende ein gutes Werk getan?

Ich werde es wohl nie erfahren.

1 Kommentar:

Ede hat gesagt…

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