Sonntag, 26. Juli 2009

Snapshots - Momentaufnahmen aus dem größten Dorf

München-Lehel, 09:11 Uhr: Eine junge Frau steigt in einen Bus. Sie trägt ihr schwarz gefärbtes Haar in filzigen Amy-Winehouse-Strähnen, das Gesicht bedeckt eine fingerdicke Schicht kackbraunen Makeups. Die Augen verstecken sich hinter künstlichen Wimpern, Kajal und Mascara, welchen sie offenbar mit einem Klappspaten aufgetragen hat. Über ihnen oszillieren zwei Brauen mit kühnem Schwung quer über die Stirn. Ein glitzerndes Madonna-Piercing versucht verzweifelt, aber vergeblich, von der levantinischen Hakennase abzulenken.

Gewandet ist dieser Fleisch gewordene Fashion-Albtraum in ein durchscheinendes Leopardentop, das sich eng in die adipösen Gletscherspalten des Oberkörpers schmiegt und diesen so in einen überdimensionalen Rollbraten verwandelt. Offenbar ist die darunterliegende Haut mindestens eine Nummer größer als der Softporno-Fetzen, der sie bedecken soll. Das Gesamtbild wird von künstlichen Nägeln, einer viel zu engen Hüftjeans und den unvermeidlichen Ballerinas auf grausame Art und Weise abgerundet. Ob ein Arschgeweih ihre Lendenregion ziert, kann man leider (oder besser Gottseidank) nicht erkennen, ich bin aber bereit, einen Monatslohn darauf zu wetten, daß es so ist.

Alles an diesem Prototyp einer Plattenbau-Schlampe schreit „Ich bin billig!“ bzw. „TUSSIALARM!“ bzw. „30 Euro, ohne Küssen, Fernfahrer die Hälfte“. Kann man Pimkie für sowas eigentlich auf Schadenersatz verklagen?...

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München-Haidhausen, 12:53 Uhr: Ein kleiner Mann steht verloren in der Lobby eines mittelständischen Münchner Unternehmens. Der kleine Mann schimpft sich selbst „Baubiologe“, was übersetzt wohl so etwas wie „Esoterik-Spinner“ bedeutet. Er hat gerade die Firma mit allerlei abenteuerlichen Gerätschaften, die entfernt an das Innenleben eines Volksempfängers erinnern, auf „Strahlung“, „Felder“ und vermutlich linksdrehende Tachyonen untersucht. Und er hat für seine pseudowissenschaftlichen Zauberkunststückchen ein Schweinegeld kassiert. Wie er das gemacht hat? Das war gar nicht so schwer. Denn der Geschäftsführer des Unternehmens ist ein alter Bekannter von ihm. Man kennt sich, man versteht sich, man hilft sich, hie und da. Ist das nicht nett? Fast käme so etwas wie Ostalgie auf, wenn... nun: Wenn man nicht gerade in München wäre.
Da lacht der kleine Mann, daß die Wünschelrute lustig wippt, und vergißt glatt, daß sich eigentlich niemand wirklich für seine „Forschungsergebnisse“ interessiert…

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München-Forstenried, 19:04 Uhr: Ein Wagen überquert eine Kreuzung und biegt links ab. Nicht weiter aufsehenerregend, allerdings: Die Ampel war bereits dunkelrot. Auch keine Seltenheit in einer Stadt, in der „jeder moant er is a Star und schnupft wia wuid, daß a was guit“ (Spider Murphy Gang).

Nur: Diesmal ist es ein Streifenwagen, der ohne Hast und Rundumleuchte sich selbstgefällig solcherlei herausnimmt. Hier hat es niemand eilig, so behäbig wurden nicht mal bei "Polizeiinspektion 1" Verbrecher gejagt. Hier steuert lediglich jemand seinen Wagen in dem Bewußtsein, daß ihm für seinen Verstoß gegen die StVO buchstäblich niemand an die Karre pinkeln wird.

Wieder einmal werde ich daran erinnert, daß die Medaille „sicherste Stadt Deutschlands“ auch eine Kehrseite hat. Vielleicht gehörten die Schandarmen (bayr.) in dem Wagen ja auch zu jener Sorte Vollkontaktbeamte, die mit Vorliebe auf offener Straße Menschen filzen und ungefragt mit „du“ anreden, nur weil deren Teint ein wenig ins Schokoladige tendiert…

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München-Forstenried, 19:10 Uhr: Ein Radiomoderator von Charivari 95,5 bezeichnet „Dance with Somebody“ von Mando Diao als „neuen Superhit“. Was eine Menge über Radio Charivari, aber wenig über Mando Diao sagt, denn der Song war schon im Februar auf Platz 2 der deutschen Charts. Aber was kann man schon von einem Sender erwarten, der sich selbst verstümmelt, nur um irgendwie auf’s RDS-Display des Autoradios zu passen…

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