Ich sage: Weiter so!
Wir sollten uns an derart leidenschaftlichem politischen Diskurs ein Beispiel nehmen. Im Bundestag ist es doch mittlerweile so fad wie einst in der Volkskammer. Es wird kaum gestritten, es wird nicht gerauft, kein böses Wort trübt die Tristesse einer Debatte. Scheinbar auf Knopfdruck abrufbare Emotionen vermitteln den Eindruck einer drittklassigen Laienspieltruppe, als sei eine Bundestagsdebatte ein Casting für "Barbara Salesch". Was ist der heilige Zorn eines Herbert Wehner oder eines Franz Josef Strauß (was immer man sonst von ihnen halten mag) gegen die aalglatten Aufregerchen und gemäßigt tuntigen Empörerchen eines Guido Westerwelle? Wer hätte sich dagegen nicht schon wenigstens einmal im Leben gewünscht, dem FDP-Chef einmal die neoliberalen Flausen aus der Fontanelle zu klopfen??
Nicht mal die Grünen taugen heute noch für einen Aufreger oder unterscheiden sich in ihrer aufgeregten Unaufgeregtheit von den anderen Parteien. Daß Joschka Fischer den Bundestagsvize ein "Arschloch" nannte, ist mittlerweile auch schon 26 Jahre her.
Heute sorgen einzig und allein die Linken regelmäßig für verhaltene Empörung. Meist dann, wenn sie ein weiteres Mal nicht von ihren hinlänglich bekannten Haltungen, z.B. zum Afghanistaneinsatz oder zum Mindestlohn, abrücken. Ein Luxus, den man sich als Oppositionspartei gerne leisten darf.
Aber auch hier wirkt das ganze wie einstudiert. Sobald Gysi und Co. ans Rednerpult treten, wenden sich alle anderen Parteien demonstrativ irgendwelchen anderen Verrichtungen zu. Die, die doch zuhören, tauschen mißbilligende Blicke mit der sich betont aufmerksam gebenden Linksfraktion. Vorne fängt Gysi an zu schimpfen und zu zappeln wie Rumpelstilz beim Proktologen, von hinten kommen ein paar, wenn überhaupt nur mäßig originelle Zwischenrufe - das war's.
Nicht, daß ich dafür plädiere, Redeschlachten ab sofort mit Schwert und Schild auszutragen und bei Kanzlerduellen doch lieber auf Pistolen zurück zu greifen.* Man muß den Bundestag nicht in einem Circus Maximus verwandeln. Aber ein bißchen mehr gelebte Leidenschaft und authentisches Interesse dürfte es schon sein, um dem Politspektakel mal etwas Leben und Glaubwürdigkeit zurück zu geben. Das allgegenwärtige Lavieren, Taktieren und Dementieren zu Positionen, die dieselben Politiker mit den gleichen Worten schon in x Talkshowformaten durchgekaut haben, nervt, langweilt und lockt keinen dreibeinigen Hund mehr unterm Sofa vor.
Also, Damen und Herren Volksver
*) Obwohl, falls Angie bei der nächsten Wahl nochmal mitmacht, könnte ich mich eventuell doch noch für diese Option erwärmen.
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