Das war mein Gedanke, als ich vor ein paar Tagen beim Vorbeilaufen an einem der Münchner Zeitungskästen die Schlagzeile las: „Lothar Mätthäus‘ Ex schwanger“. Alles, was mir da beim Lesen einfiel, war „Wird nicht jeden Tag irgendwo auf dieser Welt eine Ex von Lothar Matthäus schwanger?“
Gab es tatsächlich nichts Wichtigeres auf dieser Welt?
Da hatte ich die Rechnung natürlich ohne den Wirt gemacht. Denn gerade prangte auf den Zeitungskästen folgende weltbewegende Schlagzeile: „Bild testet Hot Dogs in München“.
Offenbar ist jetzt sogar der rechten Klatschpresse, die sich sonst für keine noch so banale Hetz- oder Titten-Kampagne zu schade ist, der Stoff ausgegangen. Hoffnungslos. Alle A,B und C-Promis wurden schon mit heruntergelassenen Hosen oder aufgespritzten Lippen geknipst, aller Tratsch ist getratscht, alle Babybäuche getätschelt. Kein tödliches Virus weit und breit, keine Ölpest, kein Vulkan, kein Ehrenmord. Für Fukushima interessiert sich keiner mehr, für Griechenland schon lange nicht.
Überhaupt, die Krise. Gibt es die überhaupt, oder ist das nur eine Erfindung der Linken? In gefühlt 300 TV-„Expertenrunden“, in der die immer gleichen Nasen die immer gleichen Phrasen nicht nur droschen, sondern buchstäblich tot schlugen, wurden Ursachen und Verursacher, Folgen und Risiken solange durch den Wolf gedreht, bis sich selbst die, die sich anfänglich noch um Durchblick bemühten, im Sumpf der Expertenmeinungen untergingen.
Ein einmaliges Lehrstück aus deutschen Landen, wie man eine globale Wirtschaftskrise, die ganze Staaten in den Bankrott treibt, Politiker zu Marionetten degradiert und millionenfach Existenzen vernichtet, im heimischen Wohnzimmer zu der Frage destilliert, ob man trotzdem oder jetzterst recht nach Griechenland in den Urlaub fahren soll.
Derweil dreht die Welt sich weiter, die Sonne geht noch immer täglich auf, und im Supermarkt gibt’s tagein, tagaus dasselbe DIN-Standard-Gemüse aus Übersee. Business as usual.
Um welche Krise ging es da nochmal? War da nicht was mit Griechenland? Oder Italien? Keiner blickt mehr durch, man will auch nicht mehr durchblicken. Solange die Wirtschaftsweisen mit ihren Prognosen häufiger daneben liegen als der Wetterbericht, solange man heute Anwalt, morgen Gesundheitsminister und übermorgen Bankvorstand werden kann, solange kann doch alles gar nicht so schlimm sein.
Sonst wäre ja Lothars Ex auch gar nicht schwanger geworden. Zumindest wüßten wir sonst nichts davon. Denn wo das Wichtige banal wird, wird das Banale wichtig.
Aber wie viel Banalität erträgt der Mensch? Wieviele Staffeln DSDS, Big Brother und Co. werden noch kommen, bis keiner mehr kuckt? Wie viele Scripted-Reality-Teenagerdramen, in denen Laien-Proll-Darsteller in Dauerschleife ihre eigene verkorkste Existenz nachspielen, wird es noch geben? Wie vor einiger Zeit gelesen, gehen RTL&Co. langsam die Nachwuchs-Trottel aus, weil einfach niemand mehr bei dämlichen Gerichts-, Baby- und Kuppel-Shows mitmachen will. Eines Tages wird man wohl nicht mal mehr für’s Dschungelcamp Kandidaten finden, weil alle insolventen Moderatoren, alle abgelutschten Casting-Transen und all der übrige Auswurf der Medienmaschinerie schon mal zum Krokodilhodenlutschen vorbei geschaut hat.
Irgendwann gibt es einfach nichts Uninteressantes mehr zu sagen, zu schreiben oder zu senden. Dann wird auf dem Bild-Zeitungskasten einfach nur stehen: „Bitte gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.“
Sonntag, 13. November 2011
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1 Kommentar:
irgendwie fehlt auf deinem Blog der "Gefällt" button.....;-)
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