du bist ja bekanntlich einer der ganz Großen im deutschen Musikgeschäft. Wir können froh sein, einen wie dich zu haben. Daß nicht du den Integrations-Bambi bekommen hast, sondern der doofe Bushido, find ich total ungerecht. Deutsch-integrierter als mit zweitem Vornamen "Kurt" zu heißen geht ja fast gar nicht.
Der Grund, warum ich dir schreibe, ist, daß ich manchmal deine Texte nicht verstehe. Alle andern sagen immer, die wären total poetisch und tiefsinnig und so. Genau wie bei Herbert Grönemeyer. Aber dessen Texte versteh ich ja manchmal auch nicht. Also vielleicht liegt das ja an mir. Daß du seinen Song „
Nehmen wir zum Beispiel mal „Dieser Weg“.
Im Chorus heißt es da: "Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer". So weit, so verständlich.
Allerdings bringt die Verwendung des Wortes "schwer" ein semantisches Problem mit sich. Denn dieses bezieht sich im Grundsatz auf das physikalische oder geistige Gewicht einer Sache. Die Verwendung des Wortes „schwer“ im Sinne von "schwierig" hat sich zwar umgangssprachlich eingeschlichen, ist aber nichtsdestoweniger falsch. Natürlich sehe ich ein, daß bei "schwierig" das Versmaß nicht mehr gestimmt hätte, und der schöne Reim wär auch im Eimer. Wortklau(b)erei eben. Aber ich wollte es wenigstens mal erwähnt haben.
Weiter geht es mit "Nicht mit vielen wirst du dir einig sein, doch das Leben bietet so viel mehr". Was wohl heißen soll, daß das Leben mehr bietet, als sich mit vielen Leuten einig zu sein. Puh, ganz schön banal, oder? Von der ewigen Verdrehung der Satzstellung, die man sonst eher von "reim dich, oder ich freß dich"-Geburtstagsrezitationen an Opas 70sten und aus Star Wars kennt („Nicht mit vielen du dir einig sein wirst, junger Padawan!“), mal ganz abgesehen.
Jetzt aber kommt der Hammer: "Manche treten dich, manche lieben dich, manche geben sich für dich auf. Manche segnen dich, setz´ dein Segel nicht, wenn der Wind das Meer aufbraust."
Kalenderverse, wie sie sonst nur in der Kirchenfreizeit auf Sofakissen gestickt werden.
Was zum Buddha soll nun der Quatsch mit dem Segel setzen? Nicht nur, daß das irgendwie nicht in die Kausalkette der vorangehenden Aufzählung paßt (treten- lieben- sich aufgeben- segnen… und dann segeln? Bzw. nicht segeln?).
So ein Segeltörn macht ja unter Umständen erst richtig Spaß, wenn der Wind braust. Um genau zu sein: Segeln ohne Wind ist gerüchteweise eine eher unbefriedigende Freizeitbeschäftigung. Der Vers funktioniert letzten Endes nicht mal als an den Haaren herbeigezogenes Stabreimkonstrukt.
Wenden wir uns doch noch einmal den 2 knappen Strophen am Anfang zu.
Das Lied beginnt mit dem schönen, aber kryptischen Satz: "Also ging ich diese Straße lang und diese Straße führte zu mir". Was’n da los? Navi kaputt?
Außerdem: Der Satzbeginn "also" weist darauf hin, daß da vorher schon irgendwas passiert sein muß. "Also hab ich bei Aldi eingekauft" suggeriert beispielsweise, daß zuvor erwähnt wurde, daß z.B. kein Lidl in der Nähe war oder daß es bei Aldi was im Sonderangebot gab. Ein Lied mit "also" zu beginnen mag ja hübsch bedeutungsschwanger klingen, Sinn macht es in diesem Fall nicht.
Weiter im Text. "Das Lied, das du am letzten Abend sangst, spielte nun in mir". Das ist zur Abwechslung mal verständlich. Man nennt das beschriebene Phänomen im Volksmund auch "Ohrwurm". Allerdings bezieht sich auch diese Zeile auf etwas, was schon vor dem Lied passiert sein muß, von dem der Hörer aber nix erfährt. Klingt ein bißchen wie aus dem Silbenbaukasten zum Thema „Wir basteln uns einen tieferen Sinn".
"Noch ein paar Schritte und dann war ich da, mit dem Schlüssel zu dieser Tür". Wie jetzt, "dieser Tür"? Welche Tür? Wenn man jetzt Bezug nimmt auf die vorherigen Zeilen - was bei Deinen Texten ein durchaus gewagtes Unterfangen darstellt - warst Du gerade auf dem Weg zu Dir selber. Somit stellt aber die Tatsache, daß da plötzlich eine Tür ist, zu der Du zu allem Überfluß auch einen Schlüssel hast, eigentlich nichts Überraschendes dar. Ist ja offensichtlich Deine Tür.
Wenn ich also, nach meinem beschränkten lyrischen Verständnis, mal zusammenfassen darf: Du bist ein bißchen rumgelaufen und kamst irgendwann wieder zuhause an. Und mit dieser mageren Reisebeschreibung schafft man es in die Top Ten? Reschpeckt, mein Lieber, Reschpeckt.
Aber wir sind noch nicht am Ende. Ich mach's aber jetzt kurz, schließlich haben wir uns schon genug den Kopf zerbrochen.
"Es war nur ein kleiner Augenblick
Einen Moment war ich nicht da
Danach ging ich einen kleinen Schritt
Und dann wurde es mir klar"
Hiermit fordere ich nachdrücklich dazu auf, diese Strophe drei Mal hintereinander zu lesen und anschließend zu erklären, was wohl mit dem Wörtchen „es“ in der letzten Zeile gemeint ist. Was zum Kuckuck wurde Dir klar, nach dem kleinen Schrittchen? Daß Du grade kurz draußen warst? Weil Du das vor lauter planlosem Herumgewandere und Segelreffen bereits schon wieder ganz vergessen hattest? Was muß man eigentlich rauchen, um derartig vergeßlich zu werden?
Der Rest des Songs besteht aus endlosen Wiederholungen des bereits Gesagten. Das Wer, Wie, Wo und Warum erfährt man nicht. Wenn man mich fragt: Ein pseudo-lyrisches, pseudo-tiefsinniges Mystik-Geschwurbel, wie nur Du es entwerfen kannst. Oder vielleicht noch Grönemeyer. Maffay eventuell auch. Und Christina Stürmer.
Was wohl beweist, daß man den Leuten den größten Quark vorsingen kann, ohne daß es jemandem auffällt. Weil die meisten scheinbar Texte nicht hinterfragen, solange diese nur mit Kuschelsound und samtweicher Soulstimme vorgetragen werden. Da kann man dann auch jederzeit so fransige Zeilen trällern wie „Und wenn ein Lied meine Lippen verlässt... durch die Nacht und das dichteste Geäst..." Wobei Du uns ja damit durchaus auch schlimmere Zeilen erspart hast, wie z.B. "Und wenn ein Lied meinen Lippen entspringt... ersäuft und dann im Meer versinkt.." oder "Und wenn ein Lied von meinen Lippen schleimt...auch wenn es keinen Sinn macht, Hauptsache, es reimt..."
Nun sagst Du bestimmt und völlig zu Recht: „Ej, du Spinner, das ist eben dichterische Freiheit! Ich hab nie behauptet, ich wäre der neue Hölderlin. Wenn du zu dumm bist, meine simplen Texte zu verstehen oder zumindest für dich selbst gewinnbringend zu interpretieren – so what? Soll mir das schlaflose Nächte bereiten?“
Nein. Soll es nicht. Ich hab auch nicht behauptet, ich sei der neue Reich-Ranicki. Zur dichterischen Freiheit gehört aber eben auch die Freiheit des Rezipienten, nicht zu verstehen, was der Dichter sagen will, und dies gegebenenfalls zu hinterfragen. Heißt es nicht bei „Und wenn ein Lied“:
„Sag ein kleines Stückchen Wahrheit und sieh,
wie die Wüste lebt.
Schaff' ein kleines bisschen Klarheit
und schau, wie sich der Schleier hebt“?
Und bei mir herrschen, was Lieder wie „Dieser Weg“ angeht, schleiertechnisch betrachtet saudi-arabische Verhältnisse.
Schöne Grüße nach Mannheim,
dein sich manchmal nach einem kleinen bißchen Klarheit sehnender
PS: Nur für den Fall, daß irgendeinem Pingel dies nicht klar geworden sein sollte: Die zitierten Textpassagen entstammen der Feder von Xavier Naidoo.
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