Donnerstag, 15. November 2012

Stromfreie Bude

Das größte Dorf wurde heute morgen von einem Stromausfall heimgesucht. Halb München war in Dunkelheit gehüllt, man hätte es glatt für eine Propaganda-Aktion der CSU halten können.

Was einem Zonen-Landei wie dem Michel nicht mal ein müdes Lächeln entlockt, hat die urbanen Dorfbewohner ordentlich aus der Spur geworfen. In der U-Bahn schluchzte neben mir eine junge Frau in ihren sprechenden Apfel, sie hätte sich an dem Morgen lediglich im Lichte ihres Handys schminken müssen. So eine Bemerkung hätte dreißig Jahre zuvor, sagen wir mal: irgendwo in Sachsen, bei den Umstehenden lauter ratlose Gesichter hinterlassen.
Handy? U-Bahn? Schminke? Licht???

Egal ob Föhn, Wecker, Kaffeemaschine - die Münchner waren aufgeschmissen. Besonders hart hatte es die Lehrerin der bezaubernsten Tochter erwischt. Die hatte am Abend zuvor ihr Elektro-Auto leer gejuckelt...

In meiner - selbstverständlich verspäteten - U-Bahn wimmelte es von ungeföhnten, unrasierten, zombiehaften Dorfbewohnern auf Koffein-Entzug. Außerdem waren unzählige Ampeln ausgefallen, Tram, S- und U-Bahn teilweise ohne Strom - totales Verkehrschaos. Zu allem Überfluß löste der Stromausfall etliche Alarmanlagen und Feuermelder aus, was jetzt auch nicht unbedingt dazu beitrug, die Situation zu entspannen.

Da kann es einen schon gruseln. Ein paar Stunden ohne Elektrizität reichen aus, um ein beschauliches Millionendorf in ein hupendes, hysterisches Dystopia zu verwandeln. Nicht auszudenken, was passiert, wenn hier mal für ganze 24 Stunden die Lichter ausgehen. Hamsterkäufe? Plünderungen? Mel Gibson, der mit einem brennenden Truck die Leopoldstraße rauf und runter fährt und dabei mit einer angesägten Schrotflinte auf Passanten schießt?

Und eine Woche stromfrei? Das würde uns wahrscheinlich 1,5 Millionen Münchner in verschiedenen Stadien der Degeneration bescheren, die bereit wären, sich gegenseitig zu kochen und aufzuessen - wenn sie denn wüßten, wie man ohne E-Herd Wasser heiß macht.

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