Mittwoch, 14. November 2012

Jeder nur ein Kreuz

Hobby-Atheisten, Studenten und alle andern, die wissen, was die Überschrift bedeutet: Ihr sterbt langsam aus. Tut mir leid, euch das sagen zu müssen. Im Gegensatz zur allgegenwärtigen Dummheit nimmt die Zahl derjenigen Zeitgenossen, die sich, ohne sich warm zu machen, gegenseitig aus dem Stand mit Al Bundy-, Monty Python- und Star Trek-Zitaten bewerfen können, Jahr für Jahr stetig ab.

Die landesweite Dummheit dagegen scheint, wie gesagt, jährlich zuzunehmen. Damit meine ich allerdings nicht solche harmlosen Knalltüten wie den hier. Ich meine damit eher jene, die zu Umfrageergebnissen wie diesen hier führen. Wer keine Lust hat, das zu lesen, dem sei hier auf den kleinsten Nenner zusammengefaßt: Jeder vierte Deutsche denkt ausländerfeindlich. Am schlimmsten sind die, die im Leben noch nie einen Ausländer zu Gesicht bekommen haben. Und, wenig überraschend: Unter Intelligenz-Abstinenzlern sind rechte Ideen besonders beliebt.

Das Schlimmste: Die Zahlen steigen, und das in einem Land, das vor lauter Wohlstand kaum noch aus den Augen kucken kann. Auch wenn der vielleicht nicht bei jedem ankommt, die Deutschen stellen jedes Jahr neue Konsumrekorde auf, lassen jedes Silvester Millionen in Rauch aufgehen und versaufen und verrauchen jährlich mehr Geld als andere europäische Staaten per Bruttosozialprodukt erwirtschaften. Trotzdem neidet so mancher Deutsche den Asylbewerbern jeden Cent, den wir ihnen für ihre jämmerliche Existenz zur Verfügung stellen. Wie tief kann man eigentlich sinken, den Ärmsten der Armen, Menschen, die ihre Heimat verlassen haben (als wär das ein Klacks - schönen Gruß an die "Vertriebenen"), die hier ohne Beschäftigung teilweise über Jahre unter unwürdigen Bedingungen zusammengepfercht werden, einen Minimalst-Unterhalt streitig zu machen, für den kein Durchschnitts-Deutscher morgens aufstehen würde? Wi-der-lich.

Außerdem, und auch das mag den ein oder anderen überraschen, sind allerorts Irrglauben und fundamentalistisch-religiöse Ansichten auf dem Vormarsch. So beschäftigt sich die Süddeutsche heute aus aktuellem Anlaß mit dem Thema "Exorzismus". (Mehr sag ich an der Stelle nicht, Link gibt's auch nicht, das habt ihr nun von eurem Leistungsschutzrecht, ihr Presse-Heinis!) Seit einigen Wochen ist ebenfalls eine evangelische Schule in München in den Schlagzeilen, in der seltsame Lehrmethoden vor sich gehen sollen, Stichworte: Teufelsangst, Hexenglauben, Kreationismus usw. Auch in diesen vermeintlichen Hort der Heranwachsenden-Verblödung werden, obwohl privat, Steuergelder im 6-stelligen Bereich gebuttert.
Dreimal dürft ihr raten, wer nun untersucht, ob die Vorwürfe wahr sind. Der Staat? Die Stadt? Der Kultusminister? Natürlich nicht. Wie so oft in dieser Republik darf hier der Bock den Gärtner geben, und eine kirchliche Stelle kontrolliert eine kirchliche Institution.
Willkommen in Bayern, der Heimat von Herdprämie und Ratze-Papst.

Auch der Michel hat so seine Erfahrungen mit der geballten Dummheit gemacht. Als die bezaubernste Tochter der Welt in der zweiten Klasse war, meinte doch tatsächlich eine Reli-Lehrerin, der wegen Erkrankung der Ethik-Lehrkraft deren Schüler anvertraut waren, den Kindern eine Dornenkrone aufsetzen zu müssen. Damit sie quasi mal sehen, wie das so ist, wenn einen antike Römer foltern.
Der Michel stand kurz davor, dieser sogenannten Lehrkraft auch mal zu zeigen, "wie das so ist". Zum Beispiel, wie das so ist, wenn man in 3 Meter Höhe von einem Holzkreuz baumelt. Ich hab mich dann doch auf eine schriftliche Beschwerde bei der Schulleitung beschränkt. Dabei erfuhren wir dann, daß die Schule (wohlgemerkt eine öffentliche Schule) keinerlei Mitspracherecht dabei hat, wen die Kirche ihr da zum Unterrichten schickt, und was oder wie unterrichtet wird. Toll, oder?

Nun stell sich einer meine Überraschung vor, als mir jetzt eine aktuelle Beschwerde über dieselbe Reli-Leererin zu Ohren kam. Diesmal hatte sie ihren Reli-Schülern anläßlich des bevorstehenden Halloweens erzählt, daß die Heiden an Halloween lebende Kinder ins Feuer geworfen hätten. Die Kids, die bis dahin bei Halloween vor allem an Kürbisse, harmlosen Grusel und Süßigkeiten gedacht hatten, hatten tagelang Albträume.

Was ich am Ende damit sagen will: Wir leben in einer Bildungsgesellschaft, zumindest, was die Voraussetzungen angeht. Trotzdem scheint Bildung auf dem Rückzug zu sein.
Reicht die geistige Kapazität des Durchschnitts-Honks nicht mehr aus, das Über-Angebot an Wissen zu erfassen und zu verarbeiten? Wie sonst ist es zu erklären, daß sich Menschen, die in einer von Wissenschaft und Bildung geprägten, "westlichen" Gesellschaft aufwachsen, der kollektiven Verblödung, dem Rückschritt und archaischen Glaubensvorstellungen verschreiben?

Hat die Evolution da etwa eine Soll-Bruchstelle in die Menschheit eingebaut? Und wenn ja: Warum? Hat Mr. Spock uns angelogen? Statt Weiterentwicklung der Hirnkapazität, Weisheit und friedliche Wissenschaft im Dienste der Menschheit der Rückfall ins Mittelalter? "Braindead" statt "Life of Brian"?

Think. About. It.

Update: Als hätte ich's geahnt: Heuer melden sämtliche Qualitätsmedien, daß US-Forscher Gerald Crabtree davon ausgeht, daß die Menschheit langsam verblödet. Ist ja dann wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis mir Stanford eine Professorenstelle anbietet.
Nur zu, Boys. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

PS: Merke gerade, daß sich letzteres so liest, als solle man mir aufgrund der Verblödung eine Professur anbieten.
Ich wollte natürlich stattdessen darauf hinaus, daß ich zeitgleich mit dem Stanford-Professor zu denselben Schlüssen komme. Und das ohne Doktortitel, Fakultät und Forschungsetat.

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