Aufmerksame Leser wissen: Der Michel war im Urlaub.
Aber was selbst der aufmerksamste Leser (noch) nicht wissen kann: Der Michel hat sich dabei tatsächlich erholt. Obwohl es Kräfte gab, die hinter den Kulissen dagegen gearbeitet haben. Und zwar unter Ziehung aller Register.
Das unheilige Wirken dieser geheimnisvollen Mächte begann bereits kurz nach der Landung. Denn da ereilte uns bereits der Klassiker unter den Alpträumen jedes Urlaubsreisenden. Alle, die mit uns im Flugzeug saßen, pflückten ihre Gepäckstücke vom Band und trollten sich Richtung Ausgang zu den wartenden Transferbussen. Auch wir hätten gern unser Gepäck geschnappt und es ihnen gleich getan, allein: es kam nix. So verzweifelt wir auch auf das unentwegt Koffer ausspeiende Gummimaul des Gepäckausgabeschachtes starrten: Unser Gepäck war nicht dabei.
Mittlerweile purzelten bereits die Gepäckstücke eines neuen Fluges aufs Laufband. Das war dann wohl der ultimative Wink mit dem Zaunpfahl, um uns klar zu machen: Diesmal hat es uns getroffen.
Also machte ich mich auf zum Lost&Found-Schalter und kalkulierte im Kopf schonmal durch, wie oft man mich wohl in meinem durchgeschwitzten Flugoutfit in den Speisesaal unserer Nobelabsteige einreiten lassen würde, bevor die Angestellten sich aus olfaktorischen Gründen weigern würden, uns zu bedienen. Doch womit niemand gerechnet hatte: Die spanischen Flughafenverweser hatten sich in einem Anfall mediterraner Kreativität dazu entschlossen, mitten im Gepäckausgabeverfahren das Laufband zu wechseln. Und da man offenbar davon ausging, daß man deutsche Pauschaltouristen gleich zu Urlaubsbeginn auf ihren Platz in der lokalen Nahrungskette hinweisen muß, befand sich das Gepäckband, auf dem unsere Koffer dann tatsächlich fröhlich Karussell fuhren, nicht etwa nebenan, sondern am andern Ende der fußballplatzgroßen Halle. Selbstredend erfuhr ich dies nicht von den offiziellen Anzeigetafeln, sondern von einer gelangweilten Lost&Found-Schalterschnepfe.
Schockmoment Nr. 1 war für's erste bewältigt, der Urlaub konnte beginnen.
Von da an wiegte uns das Schicksal vorerst in Sicherheit. Obwohl wir uns auf eine stundenlange Juckelei im Transferbus eingestellt hatten, war tatsächlich unser Hotel das erste, das angefahren wurde. Unter den mißgünstigen Blicken der anderen Fahrgäste kletterten wir aus der überfüllten, nur mäßig klimatisierten Hämorrhoidenschaukel nach draußen ins gelobte Land. Zimmer, Essen, Wetter - alles paßte oder wurde von dienstbeflissenen Lakaien passend gemacht. Ein großartiges Gefühl.
Daß Tantchen Schicksal ein paar unerwartete Plagegeister in Form nach Teutonenblut lechzender Mücken in die Waagschale schmiss - geschenkt. Darüber haben wir aus unserer unsichtbaren Autan-Körperpanzerung heraus nur mild hinweggelächelt.
Aber die kleinen Quälgeister, die es im übrigen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen geschafft haben, mit ihren lächerlich winzigen Rüsseln 12-Unzen-Denim zu durchdringen, sollten uns nur in Sicherheit wiegen. Gerade als wir anfingen, uns so richtig zu entspannen, schlug das Schicksal mit aller Härte zu. Und zwar perfiderweise in Form einer kleinen, dicken, ungemein freundlichen Europcar-Frau. Diese eröffnete mir, daß meine Kreditkarte aus irgendeinem Grund zurückgewiesen worden sei, warum, wüßte sie auch nicht, eine solche Fehlermeldung hätte sie noch nie gesehen usw., und nebenbei: Hätte ich denn auch noch andere Zahlungsmittel?
Als weitgereister Mann von Welt, wie der Michel einer ist, verläßt man sich im Urlaub natürlich auf die Plastikpenunze. NIE würde ich auf die lächerliche Idee kommen, im Urlaub als lebende Taschendiebzielscheibe Unmengen von Bargeld mit mir herumzuschleppen. Und auch wenn einem eine Rolle Ein-Euro-Münzen in der Badehose am Strand eine Menge neidischer Blicke einbringt - es ist das Risiko nicht wert. Außerdem gucken die Eisverkäufer immer recht komisch, wenn man auf der Suche nach Kleingeld zwischen seinen Kronjuwelen herumkramt.
Natürlich hatte ich beabsichtigt, nicht nur den Mietwagen, sondern auch unsere Hotelrechnung mit eben jener Kreditkarte zu begleichen.
Mit anderen Worten: Eine Klärung der Situation war dringend vonnöten. Zumal ich mir keiner Schuld bewußt war und mir die Karte noch ein paar Tage zuvor anstandslos zu einem Paar Schuhe verholfen hatte. Also rief der Michel bei der Citibank in Alemania an, was ihn ganz nebenbei ein Schweinegeld gekostet hat. Und selbstredend wurde der erste Anruf vorzeitig getrennt, ohne daß ich mit einem lebenden Wesen ein Wort gewechselt hatte.
Der zweite Anruf war dann schon erfolgreicher, wenn auch nicht wirklich befriedigend. Die freundliche Citibank-Angestellte eröffnete mir, daß man auf Geheiß von Visa aus Sicherheitsgründen eine ganze Serie von Karten eingezogen hatte, und meine sei wohl leider, leider auch dabei. Ob ich denn die Mitteilung nicht erhalten hätte?
Hatte ich natürlich nicht, denn ich befand mich ja seit einer Woche im Urlaub und stand nun plötzlich ohne Zahlungsmittel da.* Eine wirkliche Lösung des Problems konnte mir die nette Dame auch nicht in Aussicht stellen, eventuell könne man ja eine Art Blitz-Anforderung per Fax stellen, aber ob dies im Ausland so funktioniere wisse sie jetzt auch nicht. (Und überhaupt wäre die neue Karte dann nach Murphys Gesetz vermutlich eine halbe Sunde nach meiner Abreise im Hotel eingetroffen.)
Nun ja, auch dieses Problem ließ sich irgendwie lösen. Doch so leicht gab das Schicksal nicht auf. Schon am nächsten Tag schlug es erneut zu. Und wieder in einem Moment der Arglosigkeit.
Diesmal vertrauten wir dem freundlichen Mitarbeiter an der Hotelrezeption, der uns nur zu gern bestätigte: Natürlich hätten am Pfingstsonntag vor Ort alle Geschäfte geöffnet. Man könne shoppen, bis der Medico kommt, verdad!
Dreimal dürft ihr raten, wer einen Urlaubstag in einer menschenleeren Geisterstadt verbracht hat und sehnsüchtig durch alarmgesicherte Stahlgitter auf die dahinter lauernden Konsumgüter schielen mußte.
Egal, schließlich waren wir angereist, um die Seele baumeln zu lassen, nicht die Einkaufstüten. Also blieb uns nicht weiter übrig, als den ohnehin recht trüben Tag mit reichlich Kultur zu füllen. Die sich vor uns auftürmende Kathedrale kam uns da gerade recht, wurde sie doch weithin als touristisches Highlight und Augenweide angepriesen.
Doch kaum hatten wir die heiligen Hallen betreten, scheuchte uns schon ein gestrenger Klerusknecht wieder nach draußen. Hier sei jetzt Feierabend, bedeutete er uns, und überhaupt wäre hier nur für zahlende Gäste geöffnet. Oder so ähnlich. Nun hege ich ja die heimliche Wunschvorstellung, mal ohne besonderen Anlaß achtkantig aus einer Kirche geschmissen zu werden. Für einen Atheisten ist das so etwas wie ein Ritterschlag. Aber selbst für mich kam dieser Rausschmiß sehr überraschend und bestätigte mir wieder einmal, daß dieser ehemalige Angelverein namens Kirche noch immer seine Hauptaufgabe darin sieht, Geld von A nach B zu scheffeln.
Wie auch immer, wir hatten auch so unseren Spaß, und das Schicksal guckte fluchend in die Röhre. Aber so ganz hatte es noch nicht aufgegeben. Es hatte sich für den Schluß noch eine Überraschung aufgespart.
Denn der Bus, der uns am Abreisetag zum Flughafen bringen sollte, kam nicht. Ein Transferbus nach dem anderen brauste heran, sammelte die Schäfchen anderer Reiseveranstalter ein und fuhr wieder. Nur unser "Bucher"-Bus tauchte nicht auf. Zwischendurch lieferten wir uns einige fruchtlose Diskussionen mit anderen Busfahrern. Letztere sprachen ausschließlich Katalanisch und hatten von den Reiseveranstaltern zwar die jeweilige Anzahl der am Hotel abzuholenden Gäste mitgeteilt bekommen, sinnigerweise aber nicht deren Namen. Was die Sache für uns nicht unbedingt einfacher machte.
Nach einigem Rätselraten, ob wir drei denn die lt. Veranstalter eigentlich vier Gäste seien, die man schon vor einer halben Stunde hätte abholen sollen, schwangen wir uns kurzerhand in den nächsten verfügbaren Bus, frei nach dem Motto "Sch**ßegal, Hauptsache, wir sind am Flughafen!".
Angesichts unseres pragmatischen Lösungsansatzes und unserer erholt-gelösten Stimmung hat das Schicksal danach die Waffen gestreckt und uns für den Rest der Rückreise in Ruhe gelassen.
Obwohl ich mich bis heute frage, warum ein und dieselbe Gürtelschnalle an der deutschen Sicherheitsabfertigung zu Sirenengeheul, hektischer Betriebsamkeit und nervösem Herumgefinger an Dienstpistolen führt, während die spanische Sicherheitskontrolle in keinster weise Notiz davon nimmt. Nicht einen einzigen mitleidigen Piepser konnte ich dem spanischen Metalldetektor entlocken. Vermutlich ist man hier daran gewöhnt, daß Touristen zwar des öfteren einen Kater, einen Tripper oder zumindest Sonnenbrand mit an Bord schmuggeln, aber sich nur sehr selten die Hosentaschen mit Plastiksprengstoff vollstopfen.
*Ganz nebenbei: Die Mitteilung habe ich bis heute nicht erhalten, genauso wenig wie eine neue Karte. Es hat weiterer, meinerseits zunehmend unhöflicher werdende Anrufe bei der Servicehotline bedurft, um das Ganze wieder ins Rollen zu bringen.
Dienstag, 16. Juni 2009
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