Samstag, 12. Mai 2012

Hula-Hula in Westfalen

Ich bin in meinem Leben schon an 3 Mini-Flughäfen gewesen, wie nicht anders zu erwarten alle in exotischen Gegenden fernab jeglicher Zivilisation: auf Rarotonga, auf Koh Samui und in Paderborn*.

Die Landebahn auf Rarotonga zum Beispiel ist so kurz, daß der Flieger bei Start und Landung ins Meer kippt, wenn der Pilot mal nicht aufpaßt. Am Anfang der Landebahn befindet sich ein Schulgebäude (Sitzplätze: 120),  mittig daneben das Parlamentsgebäude (Sitzplätze: 24) und das Nationalstadion (Sitzplätze: 3000), am anderen eine größere  Palmenhütte: das Flughafenterminal (Sitzplätze: 5, neben der dicken Frau mit den Blumenkränzen).  Besondere Attraktion: Neben dem Gepäckband steht ein älterer Herr mit Gitarre, der mit Inbrunst irgendwelche polynesischen Schnulzen vor sich hin klampft, wenn er nicht gerade die obligatorischen Flughafendurchsagen macht.

Auf „toandfromtheairport.com“ steht zu lesen: „Left luggage is available at NZ$3 per item per day.” Was man so verstehen kann, daß man die Möglichkeit hat, sich für 3 Neuseeland-Dollar verlorengegangenes Gepäck anderer Flugreisender zu kaufen. Was mich bei der traditionell lockeren Einstellung der Polynesier zum Thema „Privateigentum“ jetzt nicht unbedingt überraschen würde.

Die Landebahn auf Koh Samui ist zwar weder länger noch kürzer, dafür kippt der Flieger bei zu geringem Schub aber auch nicht ins Meer, sondern kachelt stattdessen in einen Hotelkomplex. Das Terminal ist eher noch palmenhüttiger als auf Rarotonga, einen Südsee-Gitarrero haben die Thais sich erspart– in Anbetracht der zum Teil recht gewöhnungsbedürftigen thailändischen Schlagerszene (hier ein Beispiel) vermutlich ein weiser Entschluß. 

Attraktion hier: Das Gepäckband, das bei meiner Ankunft kaputt war. Was aber nichts ausmachte, weil es eh nur ca. 4 Meter lang war. So konnte der schmalbrüstige Einheimische mir meinen Koffer gleich in die Hand drücken, statt ihn wie sonst auf das Band zu hieven, damit ich ihn mir 2 Meter entfernt wieder herunterpflücke.  Überhaupt ein Phänomen, dem man in den entlegeneren Ecken der Welt häufig begegnet:  Um sich wie „die Großen“ fühlen zu dürfen, ahmen „die Kleinen“ alle Prozeduren und Marotten der Großen nach, auch wenn diese bei ihnen gar keinen Sinn machen (s. auch Nordkorea, Saarland, Peter Maffay).

Paderborn als der unbestritten nördlichste der 3 Minis kann den anderen beiden natürlich in puncto  Klima und Todesfälle durch herabfallende Kokosnüsse nicht das Wasser reichen. Man bemüht sich trotzdem nach Kräften, beim Fluggast Südseefeeling aufkommen zu lassen.

In Paderborn ist daher alles genauso drollig und ungezwungen, wie man es von ähnlichen Flughäfen kennt, die sich ebenfalls am Rande der Erdscheibe befinden, aber gern so tun, als lägen sie im Zentrum derselben. 
Die einzelne Dame, die mein Gepäck eingecheckt hatte, traf ich demzufolge auch beim Boarding wieder. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie auch noch den Bus zum Flugzeug gefahren hätte.

Ich wage zu bezweifeln, daß diese Mitarbeiterin auf ihrem Weg vom Check-In zum Gate nochmal einen Sicherheits-Check absolvieren mußte. Ohnehin schienen die Sicherheitsbeamten in Paderborn ihrer Arbeit mit derselben mediterranen Entspanntheit nachzugehen, wie sie sonst nur italienischen Kreuzfahrtkapitänen zu eigen ist. Als ich in München durch den Metalldetektor tapste, hatte dieser noch geblinkt und geleuchtet wie die Showtreppe bei der ZDF-Hitparade. Nicht so sein westfälisches Pendant, welches mit keiner Diode zuckte, als ich es in praktisch identischer Aufmachung passierte. Vermutlich hätte ich den Torbogen auch im Kettenhemd passieren können, ohne eine Reaktion hervorzurufen.

Lustigerweise schließt sich an den „Sicherheitscheck“ ein Duty-Free-Bereich an. Die einzigen Flüge ab Paderborn, für die man duty free einkaufen darf, sind 2 (zwei!!!) Flüge pro Woche nach Enfidha, einem zweitklassigen Touristen-Flughafen in Tunesien. Und das auch nur im Sommer. Aber wer nimmt schon 2 Liter Hochprozentigen und einen Zwei-Kilo-Riegel Toblerone mit in sein All-Inclusive-Hotel an Rande der Sahara?

Ein weiteres Highlight stellt das Airport-Restaurant „Quax“ dar. Ein ganz seltsamer Laden, der einige Fragen bei mir aufwarf.

Warum gibt sich ein Etablissement, das sich an einem Flughafen befindet und damit das Wohl des Reisenden im Auge hat, ausgerechnet einen Namen, den man sofort mit dem Attribut "Bruchpilot" assoziiert? („Quax, der Bruchpilot“, ein alter Fliegerfilm mit H. Rühmann, bildet die einzige Analogie des Wortes Quax im deutschen Sprachgebrauch.)

Wozu braucht eine Selbstbedienungs-Fritteria an einem Flughafen, wo täglich grade mal eine Handvoll Flüge starten und landen, ca. zehn Servicekräfte, die sich vor Langeweile gegenseitig die Salmonellen aus der Fontanelle puhlen? Vielleicht hatten die auch alle frei und haben sich nur dort herumgetrieben, weil der Flughafen am Sonntagabend der einzige Ort in  Ostwestfalen mit fließend Wasser und elektrischem Licht ist – ich weiß es nicht.

Wenn man schon kaum Gäste hat, wieso gibt man sich nicht wenigstens Mühe, den wenigen etwas zu servieren, das optisch und geschmacklich nicht an Bau-Schaum erinnert? Ich z. B. hatte den Quax-Cheeseburger mit Pommes geordert. Was dann allerdings nach gut 20 Minuten aus der Küche kam, sah eher aus wie ein frittierter Frisbee. Dünn wie ein französischer Crepe und an den Rändern fettig verschmurgelt, wölbte sich mir die wohl jammervollste Hackfleischscheibe entgegen, die je in einem Brötchen Platz genommen hat. Der Käse war vollständig abgeschmolzen, unter der anorektischen Bulette klammerte sich eine einsame Saure-Gurken-Scheibe an einem Hügel Eisbergsalat fest. Den nebendran platzierten Kartoffelstäbchen fehlte alles, was Pommes Frites zu einem allseits beliebten Nahrungsmittel machen: Geschmack, Knusprigkeit, Frische und ein satt goldgelbe Farbgebung. Stattdessen erinnerten die Fritten nicht nur optisch an feuchten Karton, so daß es wohl mehr als nur ein mageres Ketchup-Tütchen gebraucht hätte, um den bleichen Ackerstäbchen so etwas wie Geschmack einzuhauchen.

Den nachhaltigsten Eindruck von Paderborn als einsamer Hort südlichen Lebensstils in Norddeutschland hat bei uns der Taxifahrer hinterlassen, der uns zum Flughafen chauffierte. Dem Anschein nach westfälischer Ureinwohner ohne jeglichen Migrationshinter- oder vordergrund, schacherte er mit uns um den Fahrpreis wie ein armenischer Teppichverkäufer. Von seinen einfach nur sportlich zu nennenden10 Euro Anfahrtsgebühr, die er allen Ernstes kassieren wollte, ließ er sich  ohne den Anflug eines Bedauerns auf 2 Euro herunterhandeln. Handeln! HALLOOO! Mitten in Deutschland, dem Hort der gesetzlich geregelten Auspreisungen und der zementierten Quartalszahlen? Da muß einer erstmal drauf gefaßt sein. Gut, daß ich meine Geheimwaffe in Gestalt der schönsten Münchnerin im Gepäck hatte, die, was mediterrane Geschäftstüchtigkeit anbetrifft, mit ziemlicher Sicherheit einige hervorragende Kamelhändler unter ihren Vorfahren hat.

*) Paderborn liegt an der Pader, dem mit 4 km kürzestem Fluß Deutschland. Vermutlich sind die Paderborner da auch noch stolz drauf.Ich hätte ja gedacht, der kürzeste Fluß Deutschlands wäre der Pississippi ("Rio de la Spaten"), der einmal jährlich für 2 Wochen das Oktoberfestgelände umspült...

Keine Kommentare: